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des Antipsychiatrieverlags
in: Rundbrief
des Bundesverbands Psychiatrie-Erfahrener (BRD), 2003, Nr. 2 (Mai),
S. 22-23 /
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Peter
Lehmann
Das Psychiatrische Testament lebt Nachruf auf
Hubertus Rolshoven
Eine traurige Mitteilung: Im Alter von 56 Jahren
starb am 24. Februar 2003 der Rechtsanwalt Hubertus ("Hus") Rolshoven; er wurde
am 7. März auf dem Berliner St.-Matthäus-Kirchhof beerdigt.
Unbeeindruckt
von weißen Kitteln, akademischen Graden und psychiatrischer Ideologie stand Hus
nicht nur beruflich, sondern auch privat auf der Seite der Benachteiligten. Sein
Name ist untrennbar mit dem Psychiatrischen Testament verbunden. Hus war es, der
Anfang der 80er Jahre mit der damaligen Irren-Offensive (I.O.) in Berlin diese
für Psychiatriebetroffene so wichtige Vorausverfügung zum Schutz gegen
gewalttätige psychiatrische Behandlung entwickelte. Einige der damaligen
Mitstreiterinnen empfangen Hus vermutlich an der antipsychiatrischen Himmelspforte:
Vera Kruse, Heike Schlüchtermann, Tina Stöckle allesamt unvergessene
Mitinitiatorinnen des Psychiatrischen Testaments.
Ich weiß nicht mehr, wann
und wo ich Hus kennen lernte. Anfang der 80er-Jahre machte er im KommRum Berlin
für das dort tagende Beschwerdezentrum Rechtsberatung. Vermutlich trafen
wir dort aufeinander, denn im selben Gebäude tagte damals auch die I.O.,
die Ludger Bruckmann, ich und andere Psychiatriebetroffene gegründet haben.
(Mittlerweile haben alle ursprünglichen I.O.-Mitglieder diese Gruppe verlassen.)
Nachdem die I.O. aus ihrem Gründungsort KommRum ausgezogen und eigene, senatsgeförderte
Räume in der Schöneberger Pallasstraße übernommen hatte, beriet
Hus dort in Sachen Psychiatrierecht. Bald wurden wir dicke Freunde. Immer häufiger
steckten wir zusammen, wir organisierten gemeinsame Rundfunksendungen, wurden
als Experten zu Hearings nach Bonn eingeladen, reisten zum Vormundschaftsgerichtstag,
er moderierte unsere Veranstaltungen, führte Arbeitsgruppen durch usw. Im
Dezember 1991 trafen wir in einer Sendung des Saarländischen Rundfunks auf
Dorothea Buck vom neu gegründeten Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener, und
wer die Sendung gesehen hat, erinnert sich vielleicht, wie freundlich wir drei
die beiden mitdiskutierenden Psychiater fertig gemacht haben.
Als Anwalt
vertrat Hus damals nicht nur die halbe I.O., im Rahmen meiner Grundsatzklage auf
Akteneinsicht übernahm er 1986 die Beschwerde bei der Europäischen Menschenrechtskommission
des Europarats in Straßburg. Und privat: Silvester, Weihnachten, Geburtstage,
was haben wir nicht alles zusammen gefeiert, mitsamt der damaligen I.O. und sonstigen
lieben Leuten. Er wohnte bei mir um die Ecke, und manchmal, wenn ich spät
abends bei ihm Licht sah, klopfte ich an seine ebenerdige Balkontür und trank
noch ein Bier mit ihm zusammen (oder mehrere). So auch, als ich mein erstes Buch
geschrieben und kurz vor Druckbeginn noch keinen Titel gefunden hatte. Ich ging
mal eben bei ihm vorbei, und er bat mich, den Inhalt des Buches in einem Satz
wiederzugeben. Gesagt, getan, innerhalb von Minuten hatten wir den Titel gefunden,
"Der chemische Knebel".
Als die damalige Weglaufhausgruppe, der Hus angehörte,
1987 von der Berliner Senatsverwaltung mitgeteilt bekam, am nächsten Tag
bitteschön einen Antrag auf Kostenübernahme vorzulegen, waren es vier
Leute einschließlich Hus, die in seiner Kanzlei die Nacht durchmachten und am
nächsten Morgen ein Konzept samt Finanzierungsplan vorlegten. 1989 wurde
in Berlin eine neue Regierung aus SPD und Alternative Liste gewählt, die
in ihren Koalitionsvereinbarungen die Finanzierung eines Weglaufhauses vorsah.
Als wenig später unser überarbeiteter Finanzierungsantrag dennoch abgelehnt
wurde, da der Senat keine Mittel bereitstellen wollte, verließ Hus enttäuscht
unsere Projektgruppe. Seine Kanzlei konnten wir weiterhin als Tagungsort nutzen.
Dann
kam eine Lebensperiode, in der wir unterschiedliche Wege gingen. Ich zog weg aus
Schöneberg, er kümmerte sich um seinen Jüngsten, ich engagierte
mich weiter für das Weglaufhausprojekt, er erfand energiesparende Wohnungsheizungssysteme,
ich schrieb neue Bücher, er kaufte sich mit Freunden ein Grundstück
im Berliner Umland.
Als Anwalt war Hus nicht überall beliebt
bei Ärzten und Psychiatern schon gar nicht, aber auch nicht bei allen Betroffenen,
die zunehmend zu ihm kamen, um die Psychiatrie in Grund und Boden zu klagen. Sah
er keine Erfolgsaussichten, riet er von einer Klage ab oder weigerte sich schlicht,
den Fall zu übernehmen, was so manche Enttäuschung auslöste.
Wenn
wir uns in den letzten zwölf Jahren sporadisch sahen, beäugten wir gegenseitig
unsere Gesichter mit ihren Spuren des Älterwerdens und lachten einander an:
"Aha, also so sieht es bei Dir aus, wenn man älter wird." Es nimmt einem
die Angst vor dem Älterwerden, wenn man einen geschätzten Menschen sympathisch
reifen sieht.
Dass Hus nun nach schwerer Krankheit so viel zu früh gestorben
ist, ist bitter. Meine Gedanken sind bei seiner Familie, bei unseren vergangenen
gemeinsamen Aktionen, bei dem, was Hus geleistet hat. Das Psychiatrische Testament,
seine für Psychiatriebetroffene vermutlich wichtigste und international von
kritischen Psychiatriebetroffenen hoch geschätzte Arbeit, steht im Internet
unter
www.antipsychiatrieverlag.de/info/pt.htm,
und wer Internetzugang hat, kann dort auch ein Bild von Hus sehen, wie er uns
alle fröhlich anlacht.