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FAPI-internes Manuskript

Forum Anti-Psychiatrischer Initiativen e.V. (FAPI)

Positionspapier vom 2. April 1990

  1. Wir betrachten den Begriff »psychisch krank« als Diffamierung, weil psychische Probleme ausschließlich gesellschaftlicher oder individualgeschichtlicher Natur sind. Mit einer Stigmatisierung als »krank« verschließt sich die Gesellschaft ihren eigenen Problemen und spricht die kaltherzige Normalität »gesund«.

  2. Wir treten für ein Verbot der Neuroleptika (sog. »antipsychotischer Medikamente«) ein. Bei diesen bewusstseinsverstümmelnden Psychodrogen sind seit langem – dosisunabhängig – schwere (Dauer-)Schäden und sogar Todesfälle nachgewiesen. Diese chemischen Substanzen führen zu körperlicher Abhängigkeit, Geschwulstbildungen in den Brustdrüsen, akuten Vergiftungen und unheilbaren Bewegungsstörungen wie z.B. tardiven Dyskinesien (veitstanzartigen, nicht kontrollierbaren Muskelerkrankungen). (Sinnvoll ist einzig die begrenzte Verwendung von Neuroleptika zu Anästhesie-Zwecken.)

  3. Wir fordern ein sofortiges Verbot des Elektroschocks, einer besonders inhumanen psychiatrischen Behandlungsmethode. Obwohl allgemein bekannt ist, dass Stromstöße durch das Gehirn zu Schäden im Zentralen Nervensystem führen und von zweifelhaftem therapeutischen Wert sind, ist diese Methode wieder auf dem Vormarsch.

  4. Wie lehnen jede Form psychiatrischer Zwangsbehandlung ab und fordern deshalb ein Recht auf Psychopharmaka-freie Hilfe. Betroffene sowie Noch-Nicht-Betroffene müssen die Möglichkeit haben, im nicht-angezweifelten Zustand der Normalität zu verfügen, wie sie behandelt – oder aber nicht-behandelt – werden wollen, sollten sie für »psychisch krank« und »behandlungsbedürftig« erklärt werden. Als geeignetes Mittel zum Schutz vor Zwangsbehandlung betrachten wir das Psychiatrische Testament des amerikanischen Psychiatrie-Professors Thomas S. Szasz; dieses Rechtsmittel wird in Westberlin bereits seit zwei Jahren erfolgreich eingesetzt.

  5. Wir wenden uns gegen jede Ausdehnung der Sozial- und Gemeindepsychiatrie, einem System psychiatrischer Überwachung und Disziplinierung. Gemeindenahe Psychiatrie führt zur totalen Kontrolle der Betroffenen, zur Psychiatrisierung der Gesellschaft und erwiesenermaßen zum Anstieg von Zwangsunterbringungen.

  6. Aufgrund jüngster Entwicklungen warnen wir vor gentechnologischen psychiatrischen Plänen, wonach entartete Gene aufgespürt werden sollen, um Menschen vorbeugend psychiatrisch zu behandeln, auch wenn noch gar keine »psychische Krankheit« eingetreten ist.

  7. Um den Ausstieg aus der Psychiatrie einzuleiten, fordern wir den Aufbau und die finanzielle Unterstützung von Psychiatrie-unabhängigen Selbsthilfe-Organisationen sowie von Psychopharmaka-freien Weglaufhäusern, in denen Menschen Hilfe finden können, die vor psychiatrischer »Behandlung« davonlaufen. Weiterhin schlagen wir den Aufbau von Beschwerdezentren vor, die Berufung von Ombudsleuten und BetroffenenfürsprecherInnen sowie ein Recht auf uneingeschränkte Akteneinsicht. Darüber hinaus verlangen wir institutionalisierte Möglichkeiten zum Entzug psychiatrischer Psychopharmaka. Als Alternative zur Psychiatrie werden wir nicht-psychiatrische Verrücktenhäuser aufbauen, nicht-psychiatrischen Wohnraum und freie Kooperativen. Wir können uns vorstellen, dass öffentliche Gelder, die derzeit in die Psychiatrie fließen, bei anti- und nicht-psychiatrischen Initiativen sinnvoller angelegt wären.