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in: Kerstin Kempker & Peter Lehmann (Hg.): Statt Psychiatrie, Berlin: Antipsychiatrieverlag 1993, S. 329-364 (mit der am 25.12.2018 erweiterten Vorbemerkung von Peter Lehmann)

Tina Stöckle

Die Irren-Offensive – Möglichkeiten und Grenzen antipsychiatrischer Selbsthilfe

Vorbemerkung von Peter Lehmann

Dieses Kapitel stammt aus Tina Stöckles Buch »Die Irren-Offensive. Erfahrungen einer Selbsthilfe-Organisation von Psychiatrieopfern« (Frankfurt am Main: Extrabuch-Verlag 1983 [Neuausgabe 2005]). Die Irren-Offensive gründete sich 1980 im Westteil Berlins ale autonome Selbsthilfe-Organisation ausschließlich von Psychiatriebetroffenen. Tina Stöckle beschrieb den Werdeprozess und die ersten Aktionen dieser Gruppe. Später dann, ab 1984, bekam die Gruppe von der Westberliner Landesregierung finanzielle Zuwendungen, wodurch sie einen Treffpunkt sowie eine ganze und mit der Zeit eine weitere halbe Stelle für den Betrieb der Einrichtung und für Beratung finanzieren konnte. Die Wohnung, in der sie ihr Domizil aufschlug, erhielt sie über einen Psychiatriebetroffenen, der Jahre zuvor eine Reihe von freistehenden Altbauwohnungen zur Weitervermietung an Projekte angemietet hatte. Mit der Öffnung der Beratungs- und Informationstermine auch für nicht persönlich von der Psychiatrie Betroffene waren nur noch das wöchentliche Plenum und die Vereinszugehörigkeit ausschließlich (ehemaligen und aktuellen) Anstaltsinsassinnen und -insassen vorbehalten; auf diese Weise blieb die Entscheidungsbefugnis in den Händen von Betroffenen. Die bald nach Entstehen der Irren-Offensive gegründeten Kleingruppen bestanden immerhin zwei Jahre; Gespräche über persönliche Angelegenheiten konnten später innerhalb des Frauentags, des Beratungstermins oder zum Teil entstandener persönlicher Beziehungen geführt werden. Auch männerspezifische Fragen der Verrücktheit waren Thema – wenn auch nur ein einziges Mal, bei der Vorbereitung zur Teilnahme von vier Mitgliedern der Irren-Offensive an einem Berliner »Männertag« Mitte der 1980er-Jahre.

Nachdem die erste Auflage ihres Buches vergriffen war, widerstand Tina Stöckle allen Verlockungen eines Nachdrucks. Sie befürchtete, dass ihr Buch in einigen Passagen zur undifferenzierten Verherrlichung von Verrücktheit beitragen könnte. Dies basierte auf ihren persönlichen Erfahrungen, die sie im Lauf der Jahre in der Irren-Offensive Berlin machte: bei Aktionen, in der Beratung im Treffpunkt und in seiner Organisation.

Der Vorstand der Irren-Offensive e.V. kündigte Tina Stöckle ihren Arbeitsplatz zu Ende März 1992. Sie starb am 8. April 1992 an Nierenversagen. Bis zuletzt hatte sie die finanzielle Abrechnung der Treffpunktkosten abgewickelt. Tina Stöckle war das letzte verbliebene aktive Mitglied derjenigen Fraktion, die mit ihrer radikalen Einstellung den antipsychiatrischen Ruf der Irren-Offensive begründet hatte. Vor ihr hatten andere langjährige antipsychiatrisch Aktive, zu denen ich auch mich selbst zähle, nach und nach die Gruppe verlassen, nachdem sie der Erfahrung hatten Tribut zollen müssen, dass auch das Lager der Psychiatriebetroffenen nicht frei von Bosheit, Macht- und Geldgier sowie Gewaltausübung ist.

In dieser Situation entschloss sich Tina Stöckle zur Neuauflage ihres Buches – als historisches Dokument von der Periode der Irren-Offensive, in der die Kriterien am ehesten erfüllt waren, die sie als notwendig für anti- und nichtpsychiatrische Selbsthilfe ansah: Solidarität untereinander, kritische Distanz zum Krankheitsbegriff, Befreiung vom psychiatrischen Einfluss sowie Abbau von Machtverhältnissen innerhalb der Gruppe. Die in der real-existierenden Irren-Offensive seit 1989 neu aufgekommenen Strukturen sollten die früheren Ideale nicht dem Vergessen preisgeben.

Ursprünglich hatte Tina Stöckle 13 Psychiatriebetroffene ausführlich interviewt: zu ihrem Leben vor der Psychiatrisierung sowie zu ihren Erfahrungen in der Psychiatrie und danach. In ihrem Buch konzentrierte sie sich schließlich auf zehn dieser Interviews. (Eines davon ist in der vorliegenden Anthologie nachgedruckt; siehe Ludger Bruckmann: »Rückblick auf zwölf Jahre antipsychiatrische Selbsthilfe«.) Die Kritik der Psychiatrie und die Ansatzpunkte zu Alternativen stellte Tina Stöckle in einen Rahmen, der sowohl die Geschichte der antipsychiatrischen Selbsthilfe wie auch die Distanzierung von angeleiteter gemeindepsychiatrischer ›Selbsthilfe‹ einschloss.

Ihre Erkenntnisse fasste Tina Stöckle in zwei Abschnitten zusammen: »Wie weit erfüllt die Irren-Offensive die Kriterien?« und »Wo sind die Grenzen?« Mit Kürzungen und kleinen stilistischen Korrekturen verband ich diese zwei Abschnitte zu einem in sich abgeschlossenen Text. Da ich neun Jahre lang mit Tina Stöckle zusammenlebte und -arbeitete, bis zuletzt ein vertrautes Verhältnis zu ihr hatte und zudem das korrigierte Manuskript einer von ihr in Erwägung gezogenen Neuauflage besitze, weiß ich weitgehend Bescheid über diejenigen inhaltlichen Aussagen, hinter denen sie zuletzt nicht mehr stand und die sie bei einer Neuauflage gerne überarbeitet hätte:

1. »Die Psychiatriebetroffenen« als einheitliche Gruppe von Menschen mit gleichgerichteten Interessen gab es für Tina Stöckle längst nicht mehr. Im ursprünglichen Text hatte sie mehr oder weniger unausgesprochen existentielle Interessen wie Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit (im Sinne von Nichtbehandeltwerden mit schädlichen psychiatrischen Psychopharmaka) als absolut und ungebrochen vorausgesetzt. In der Realität tauchten bei Psychiatriebetroffenen jedoch in unterschiedlicher Ausprägung und Dauer noch andere, zum Teil entgegengesetzte Bedürfnisse wie zum Beispiel nach chemischer Ruhigstellung und Abgabe von Verantwortung auf, die ebenfalls ernstzunehmen waren. In ihrem Text sollte deshalb der Begriff »die Psychiatriebetroffenen« gelesen werden als »die radikal an zentralen Menschenrechten wie Selbstbestimmung und körperlicher Unversehrtheit orientierten Psychiatriebetroffenen«. Diese Einschränkung spiegelt auch die Tatsache wider, dass es eine Reihe Psychiatriebetroffener gibt, die aus unterschiedlichsten Gründen nicht zu einer Gruppe wie der Irren-Offensive kommen: die zum Beispiel davon überzeugt sind, dass ihnen die Psychiatrie mit ihren spezifischen Maßnahmen geholfen hat; die sich vom aggressiv-ironischen Namen der Gruppe abschrecken ließen; die mit dem Komplex Psychiatrie nichts mehr zu tun haben wollen, weil die Erinnerung zu schmerzlich ist oder weil sie inzwischen andere Schwerpunkte gesetzt bzw. sich den ›schönen Dingen des Lebens‹ zugewandt haben.

2. Die oft idealisierende Darstellung von organisierten Psychiatriebetroffenen, die im Laufe der Praxisjahre Kratzer bekommen hatte, hätte Tina Stöckle in Zeiten des inneren Abstands am liebsten in einem »Schwarzbuch Irren-Offensive« revidiert. Schon in ihrem Buch hatte sie vor verinnerlichten Gewaltpotenzialen gewarnt. Und damit hatte sie recht: Wieso sollten Psychiatriebetroffene von vornherein und ausnahmslos aneinander interessiert sein, solidarisch, mitfühlend, kritikfähig und fähig zu ›echten menschlichen Beziehungen‹ sowie zu offener Auseinandersetzung? Der Wunsch, die internen Konflikte nicht öffentlich auszutragen und das Idealbild der Irren-Offensive angesichts des Erreichten und der Erfolge anti- und nichtpsychiatrischer Selbsthilfe nicht zynischer Kritik seitens der Sozialpsychiatrie auszusetzen, war Tina Stöckle jedoch wichtiger als ihr gleichzeitig vorhandenes Bedürfnis, mit dem Aussprechen der ungeschminkten Wahrheit Psychiatriebetroffene vor möglichen Fehlentwicklungen ihrer Gruppe zu warnen; außerdem hielt sie sich strikt an die Vereinbarung, keine persönlichen Informationen über einzelne Mitglieder publik zu machen.

3. Vermutlich wäre Tina Stöckle in einer Neuauflage auf das Problem des ungebrochen aufrecht erhaltenen Schwarz-Weiß-Denkens eingegangen. Ein Mitglied der Irren-Offensive hatte es schon 1981 angesprochen, als er – folgenlos – seinen Austritt begründete. In Tina Stöckles Diplomarbeit (1982) war das Schreiben »Warum ich aus der Irren-Offensive austrete« von U. Ch. im Schlusskapitel »Wie es weiterging« noch enthalten, im Folgejahr jedoch der Kürzung der Ausgabe im Extrabuch-Verlag zum Opfer gefallen. U. Ch. hatte seinen Austritt wie folgt erklärt:

»Von in ihrem Selbstverständnis her soll die Irren-Offensive eine Selbsthilfegruppe sein und offensiv gegen die Missstände in der Psychiatrie vorgehen. Ich glaube – nach meinen Erfahrungen aus den letzten Wochen und Monaten –, dass die Irren-Offensive ihren hohen Anspruch, eine Selbsthilfegruppe zu sein, nicht erfüllt. Das ist meines Erachtens auch der Grund dafür, dass in letzter Zeit immer mehr Leute weggeblieben sind. Auch mir fiel es in letzter Zeit immer schwerer, zum Plenum zu kommen, da es einfach für mich nichts mehr brachte. Es fanden keine Diskussionen mehr statt, ich fühlte mich irgendwie allein gelassen.

Was mir aber noch wichtiger erscheint, ist der andere Aspekt, nämlich die Offensive. Ich glaube, dass die Irren-Offensive auf dem besten Wege ist, in die Irre zu gehen. Die Vorgänge auf dem Gesundheitstag in Hamburg haben mir gezeigt, dass die Irren-Offensive einen Weg geht, den ich nicht mitgehen kann. Dieser Weg führte nämlich in die totale Isolation. Man kann einfach nicht alle Leute, die in der Psychiatrie arbeiten, seien dies nun Psychiater, Psychologen und Pflegepersonal, über einen Kamm scheren und in solch einer unqualifizierten Art und Weise angreifen. Wenn wir in der Psychiatrie etwas verändern wollen, brauchen wir Verbündete, die Macht und Einfluss haben. Die Forderung nach totaler Abschaffung der Psychiatrie halte ich für totalen Unsinn. Das Anti-Psychiatrie-Programm für die AL (Alternative Liste Berlin, P.L.) strotzt nur so von pauschalen Beschuldigungen gegen die Psychiater und bietet als Alternative nur Allgemeinplätze an. Ich finde es eine arrogante Anmaßung, wenn die Irren-Offensive so tut, als hätte sie – im Gegensatz zu den ›Experten‹ – das Patentrezept, wie psychische Probleme gelöst werden. Ich halte es auch für einen fatalen Irrtum zu glauben, nur weil wir Erfahrungen in der Klapse haben, seien wir unsere eigenen Experten und bräuchten die anderen nicht.

Dies alles und noch einiges mehr lässt nicht zu dem Schluss kommen: Da mache ich nicht mehr mit!« (S. 318)

4. Ihre Behauptung, nur durch Selbsthilfe und Selbstorganisation zum Aufdecken und allmählichen Auflösen der eigenen Konflikte zu gelangen, hielt Tina Stöckle nicht mehr aufrecht. Hintergrund ihrer Meinungsänderung war vermutlich die Erfahrung, dass gelegentlich Mitglieder, Besucher oder Besucherinnen von zumindest zeitweisen positiven Erlebnissen mit Psychotherapeutinnen und -therapeuten berichteten.

5. In der Neuauflage sollte das im Untertitel enthaltene Wort »Psychiatrieopfer« ersetzt werden durch »Psychiatrie-Überlebende«. Hiermit wollte Tina Stöckle darauf hinweisen, dass nach der Psychiatrisierung, so schrecklich diese auch sein mag, das Leben mit all seinen prinzipiell vorhandenen Möglichkeiten weitergeht. Dem Opferbegriff stand sie auch deshalb mehr und mehr misstrauisch gegenüber, da er sämtliche Verantwortung für den Verlauf der eigenen Lebensgeschichte Dritten zuweist und das Subjekt zum ausschließlichen Objekt der äußeren Lebensumstände degradiert.

6. Der Begriff »psychiatrische Drogen« verschwand mit den Jahren völlig aus dem Sprachgebrauch der Irren-Offensive. In Tina Stöckles originalem Sprachstil der frühen 1980er-Jahre würde heute der Ersatzbegriff »psychiatrische Psychopharmaka« oder »neurotoxische Psychodrogen« als Fremdkörper wirken, weshalb ich auch in diesem Fall häufig die ursprüngliche Formulierung beibehielt.

7. Die Frage, inwieweit Tina Stöckle heute noch die Zweiteilung der Menschheit in »Zwanghaft-Normale« und »Verrückte« in dieser Abstraktion vornehmen würde, kann ich nicht beantworten. Die beiden Pole sah sie eher als Tendenzen und weniger als ausreichende Charakteristik des jeweils einzelnen Menschen an. Das entgrenzte Jenseits von Normalität und Verrücktheit wollte sie nicht beschreiben (und damit wiederum fixieren), sondern leben.

Peter Lehmann, Oktober 1992

Möglichkeiten der Irren-Offensive

Wenn ich nun die Selbstaussagen der Interviewten und die Aktivitäten der Irren-Offensive an den in meinem Buch entwickelten und hier als Kapitelüberschriften wiederholten Kriterien einer antipsychiatrischen Alternative messe, stelle ich deutlich unterschiedliche Meinungstendenzen und manchmal auch konträre Standpunkte fest. Deshalb gebe ich meistens Tendenzen wieder und schreibe nur selten in Wir-Form.

Zusammenschluss der Betroffenen

Die Aussagen machen deutlich, dass die Verrückten zur Genüge erfahren haben, was es heißt, ganz allein, ohnmächtig, isoliert dazustehen, im besten Fall als Exot geduldet zu werden. Die Motivation zur Mitarbeit in der Irren-Offensive ist im Prinzip nicht unterschiedlich, ihr Schwerpunkt ist an Interessen und Bedürfnissen individuell ausgerichtet. Wenn Werner sagt: »Ich habe gemerkt, dass ich als Alleinstehender vollkommen ohnmächtig bin«, dann drückt er das aus, was alle aufbrechen möchten: die Ohnmacht, die Vereinzelung, die Isolation. Für viele Irrenoffensivmitglieder ist es zunächst einmal wichtig, Kontakt zu anderen Betroffenen zu knüpfen, auf Menschen zu treffen, die ähnliches erfahren haben, mit denen sie gemeinsam etwas tun möchten. Andere Interviewte sprechen von Irrensolidarität, die sie gesucht und gefunden haben, von einer Solidarität mit Menschen, die auch anpassungsunfähig bzw. anpassungsunwillig sind: »Flippies, Outsider, Randtypen« (Bernd).

Hier kann man Solidarität lernen. Das ist leichter bei Betroffenen, die die Erfahrung gemacht haben, dass man wie ein armes Schwein behandelt wird, da man auch aufeinander angewiesen ist. Ich weiß von vielen Leuten, dass sie mich als Irre völlig abschreiben. (Vera)

Viele sehen die gemeinsame Erfahrung als Voraussetzung dafür, dass sie Verständnis, Einfühlungsvermögen und Angenommenwerden vorfinden. Der Zusammenschluss bedeutet für die meisten, dass sie einen gewissen Gruppenzusammenhalt erwarten, dass sie auf gegenseitige Hilfe hoffen, dass sie – wenn sie sich schlecht fühlen – entsprechend unterstützt und nicht, wie sie es bisher erfahren haben, im Stich gelassen werden.

Im Namen »Irren-Offensive« ist enthalten, dass Betroffene sich nicht nur zusammenschließen, sondern zugleich offensiv werden, Widerstand leisten: Tendenziell zeigen die Aussagen, dass gerade dieses Offensivwerden für viele Betroffene von wesentlicher Bedeutung ist bzw. die Motivation war, sich für diese Gruppe zu entscheiden. »Ich bin am bürgerlichen Leben zerbrochen. Soll ich mich jetzt auch noch schämen, in einer Klapsmühle gewesen zu sein, die das Werk eben dieser Bürger ist?« (Peter) Durch den Offensivcharakter wird das Sich-Verstecken, das Anonymsein aufgebrochen. Die Betroffenen zeigen in den Interviews, dass sie ihre Scham, ihre Ängste überwunden haben, dass sie nicht mehr bereit sind zu schweigen, zu dulden, zu leiden, sondern sich gegen die Diskriminierung wehren, die auf ihnen lastet.

Ich glaube, dass es unheimlich wichtig ist, nach außen zu gehen und zu zeigen, wie ›normal‹ das ist, verrückt zu sein. Einfach auch anderen zu zeigen, wie schnell so was geht, dass man in eine Klinik kommt, wie die Bedingungen das verursachen. (Claudia)

Kampf gegen psychiatrische Menschenrechtsverletzungen

Die Psychiater scheuen das Licht der Öffentlichkeit, deshalb erfordert der Kampf gegen die Psychiatrie Öffentlichkeitsarbeit. Das Schweigen der Betroffenen ist – wie die Irrenoffensivleute meinen – mit ein Grund, dass sich an diesen Zuständen nichts geändert hat. Die Verrückten sind sich einig, dass Öffentlichkeitsarbeit die Voraussetzung dafür ist, dass überhaupt etwas in Bewegung kommt.

Denn gerade dadurch, dass es ja eigentlich immer totgeschwiegen wird, ist es so, wie es ist (Vera);

... dass man, bevor man etwas hat, an die Öffentlichkeit muss. Sonst wirkst du irgendwo im Busch rum, und keiner weiß, was du überhaupt willst. (Werner)

Das Engagement, die Kraft dazu schöpfen die Verrückten aus ihrer eigenen Betroffenheit; denn einmal ist das, was ihnen in den Anstalten angetan wurde, nicht vergessen, und zum anderen fühlen sich die meisten immer noch bedroht; sie haben ja mindestens schon einmal erfahren, wie schnell und wie brutal die Psychiatrie zuschlägt. Öffentlichkeitsarbeit bedeutet für Psychiatriebetroffene, das Ohnmachtsgefühl aufzubrechen, endlich etwas sowohl für sich selbst zu tun als auch gegen das Unrecht der Psychiatrie und das, was in neuer Form auf uns zugekommen ist, die Gemeindepsychiatrie.

Nach Meinung der Irrenoffensivleute soll die Öffentlichkeit informiert, aufgeklärt werden. Die Leute sollen mit der Realität, was inner- und außerhalb der Anstalten passiert, konfrontiert werden. Sie sollen nicht mehr, wie im Faschismus, die Möglichkeit haben, sich vor der Wahrnehmung der Realität zu drücken bzw. die Ausrede benützen zu können, sie hätten von nichts gewusst. Durch eine Gegendarstellung sollen die Menschen so weit informiert werden, dass sie Verständnis für Verrücktsein gewinnen, dass sie erkennen, welche Ursachen das ›Ausrasten‹ hat, dass sie bei sich selbst Betroffenheit zulassen und entwickeln können. »Nicht der Schizophrene ist schizophren, sondern die Gesellschaft ist es. Das muss ganz deutlich gemacht werden.« (Claudia)

Dazu muss die Psychiatrie als das dargestellt werden, was sie in Wirklichkeit ist:

... als ein Abgrenzungsmittel für die Leute, die vor all dem Angst haben, was anders ist, nicht ›normal‹ ist; als eine Möglichkeit, eine bestimmte Art von Denken, Gesinnung von der Gesellschaft fernzuhalten. (Bernd)

Einige Betroffene haben erkannt, dass es wichtig ist, sich auch theoretisch mit Psychiatrie auseinanderzusetzen, um im Kampf gegen sie und ihre Ausweitung souverän sein und die Kritik zu fundieren zu können.

Die Interviewten haben auch dargestellt, wie sie in die Öffentlichkeit gehen wollen. Voraussetzung dafür ist, dass die einzelnen für sich selbst offensiv werden, dass sie offen über ihre Anstaltserfahrung sprechen, erklären, warum sie verrückt geworden sind und wie sie jetzt mit ihrer Verrücktheit leben. »Ganz klar offensiv vorgehen und zeigen, hier ist etwas faul.« (Ludger) In der Irren-Offensive können alle so viel tun, wie sie wollen und was sie wollen. Die Aktionen sollten den Leuten Spaß machen, das ist ganz wichtig. Die einen gehen gerne mit Flugblättern in Anstalten. Andere sprechen von »Scheiß-Flugblattaktionen« und geben dafür lieber Interviews, nicht nur für dieses Buch, sondern für Rundfunk und Presse. Wieder andere bevorzugen es, Gedichte, Artikel, Kurzgeschichten für sich und auch für Zeitungen zu schreiben. In der Irren-Offensive sind sehr kreative Leute. Da gibt es Künstler in allen Bereichen; sie machen Lieder, spielen Theater oder zeichnen Plakate. In dieser Gruppe herrschen keine Regeln, wie Öffentlichkeitsarbeit auszusehen hat; das hängt von den Leuten ab, wie sie Lust haben, etwas zu tun.

Ein Teil der Irrenoffensivler arbeitet auch im Beschwerdezentrum mit. Das sind die, die sehr aktiv sind, die merken, dass die Irren-Offensive zu schwach ist, allein diesen Kampf aufzunehmen. Das Beschwerdezentrum verfolgt ähnliche Interessen und Ziele. Im Frühjahr 1981 formulierte die Irren-Offensive gemeinsam mit der Bürgerinitiative Festes Haus (1) und dem Beschwerdezentrum den Psychiatrieteil des Wahlprogramms der Alternativen Liste, das Antipsychiatrie-Programm, in dem heißt es unter anderem:

Die einzige Alternative ist für uns die vollständige Abschaffung der kompletten Psychiatrie! (... Es, T.S.) ist bereits im Ansatz zu verhindern, dass die psychiatrische Unterdrückung und Mystifizierung modernisiert, technisiert, sozialpsychiatrisiert, gemeindepsychiatrisiert, also mit neuen Kleidern durchs Fenster wieder hereinkommt... (»Antipsychiatrie« 1981)

Im Antipsychiatrie-Programm wird unter anderem gefordert:

Die Gewährung der Einsicht in sämtliche Anstaltsunterlagen einschließlich der ›Krankenblätter‹ ist gesetzlich zu verankern... Die Entmündigung und der rechtlose Status der Betroffenen sind aufzuheben, ihnen ist volle Rehabilitation zu gewähren. Den Entlassenen müssen finanzielle Entschädigung und Starthilfe gewährt werden...

Laut Selbstdarstellung ist ein Ziel der Irren-Offensive der gemeinsame Kampf gegen die Diskriminierung in allen Lebensbereichen; ein Arbeitsschwerpunkt ist die Erarbeitung der eigenen Rechte (zum Beispiel Einsichtnahme in die ›Krankenakte‹).

Die Betroffenen haben erkannt, dass nur sie selbst es sind, die für ihre Rechte kämpfen können;

... dass wir gegen die Diskriminierung angehen, die auf uns lastet, diese Diskriminierung und Isolation aufbrechen, an die Öffentlichkeit gehen und genauso wie andere Minderheiten unsere Sachen öffentlich vertreten. (Manfred)

Die Verrückten haben keine Lobby; wenn sie selbst nichts tun, dann wird nichts geschehen. Erst wenn sie selbst wissen, wofür sie kämpfen, können sie sich solidarisieren mit denen, die sie in diesem Kampf unterstützen möchten.

Es kommen Leute zur Irren-Offensive, denen bewusst ist oder bewusst wurde, dass sie als Einzelkämpfer keine Chance haben, und die inzwischen ihre Wiederbemündigung zu erkämpfen oder eine Pflegschaft loszuwerden versuchen, mit Unterstützung von anderen Betroffenen, vom Beschwerdezentrum, von engagierten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten. An solchen positiven Beispielen sehen auch die anderen Verrückten, dass Widerstand möglich ist: »... dass ich sehe, man kann was machen, denn der Peter ist ein gutes Beispiel für mich, seine Klage, die er geführt hat.« (Claudia) Peter versucht seit 1978, Einblick in seine eigene Verwahrakte zu nehmen. Er war 1977 in zwei Psychiatrischen Anstalten, zuletzt in der Psychiatrischen Anstalt der Freien Universität Berlin. Er will nicht aus materiellem Interesse in die Akten gucken, sondern:

Ich will mich nach meinem Anstaltsaufenthalt selbstbestimmt mit meiner Lebensgeschichte auseinandersetzen, meine Vergangenheit aufarbeiten. Ich will wissen, was die Psychiater, die Angehörigen, die Freunde damals über mich gedacht und gesagt haben. Ich will nachlesen, wie die Psychiater meinen ›psychotischen‹ und ›schizophrenen‹ und ›paranoiden‹ und ›hebephrenen‹ und ›halluzinatorischen‹ und ›logorrhoeischen‹ und ›katatonen‹ und ›stuporösen‹ Zustand beschrieben haben. Ich will verhindern, dass mich der Wahnsinn noch einmal total packt und ich mich plötzlich im Irrenhaus angeschnallt, grün und blau geschlagen, eingesperrt und vollgespritzt wiederfinde. (Lehmann 1981, S. 36)

Die Öffentlichkeit, die durch den Prozess geschaffen wurde, bewirkte, dass die Irren-Offensive bekannter wurde und dass einige Mitglieder neu dazukamen.

Kollektive Auseinandersetzung mit den Lebensbedingungen

Dass ich konkreter die Verbindung zwischen der Unterdrückung in der Gesellschaft und der Unterdrückung, die in der Psychiatrie läuft, anstellen kann; dass ich auch so zum ersten Mal politischen Anspruch stärker verbinden kann mit dem, was läuft... (Claudia)

Viele der Betroffenen erkennen ihre Ängste und lernen, ihre Aggressionen und ihre Wut nicht mehr gegen sich zu wenden und sich selbst damit zu zerstören, sondern sie nach außen gegen die kaputtmachenden Verhältnisse zu richten, diese zum Gegner zu machen. Wesentlich bei den Betroffenen ist, dass sie bei sich ansetzen und einsehen, wie die Lebensumstände verursacht haben, dass sie ›ausgerastet‹ sind; dass dies kein Einzelschicksal und keine Individualschuld ist, erfahren sie durch ähnliche Lebensgeschichten ihrer Leidensgenossinnen und -genossen. Es kommen Menschen zur Irren-Offensive, die vorher schon erkannt haben, dass sie sich wehren müssen, dass sie sich – anstatt sich selbst zu zerstören – mit den Lebensbedingungen auseinandersetzen und andere Menschen suchen müssen, die mit ihnen kämpfen. »Mein Anspruch war, mit den Leuten aktiv was zu machen, echt was zu tun gegen die Gesellschaft, gegen das, was uns bindet und uns kaputtmacht.« (Werner)

Die Suche nach Freiräumen wurde uns durch die Enge aufgedrängt, der wir bei unseren wöchentlichen Treffen in einem kleinen Raum des KommRum, einem Kommunikations- und Therapiezentrum, in dem wir uns 1980 gegründet hatten, ausgesetzt waren. Ein Teil der Verrückten wollte vom KommRum unabhängig werden, wollte eigene Räume haben, der andere Teil wäre ganz gerne geblieben, bekam aber auch die Raumnot zu spüren.

In dieser Zeit redeten wir viel vom Häuserbesetzen. Bei Diskussionen zeigte sich, dass die Leute große Angst hatten, bei der Besetzungsaktion nicht in den Knast, sondern sofort in die Anstalt gebracht zu werden. Diese Angst war berechtigt; sie konnte mit Argumenten nicht vertrieben werden. Einige Leute waren zwar für Häuserbesetzung:

Ich wollte eigentlich nach Portugal fahren, aber das andere ist wichtiger, auch die Häuserbesetzung, die ansteht. Weil ich merke, da ist zum ersten Mal ein Punkt, wo ich mich engagieren kann, da will ich jetzt nicht wegrennen, diese Chance hatte ich noch nie in meinem Leben, mich wirklich zu engagieren, weil ich da auch hinter stehe. (Claudia)

– aber die Mehrheit war dagegen. Trotzdem war allen bewusst, dass wir als Irren-Offensive auf legalem Wege nie oder nur sehr schwer Räume erhalten würden, und die heißen Diskussionen gingen weiter.

Die Irren-Offensive hatte bald Verbündete, die in die gleiche antipsychiatrische Richtung mitmarschierten, sich punktuell solidarisierten und beteiligten. Da war das Beschwerdezentrum, in dem auch Betroffene mitarbeiten, und die Bürgerinitiative Festes Haus – zwei Gruppen mit teilweise ähnlichen Ziele wie die Irren-Offensive.

Für die Alternative Liste (AL) Berlin hatten wir zwar den Wahlprogrammteil Psychiatrie entworfen, aber die einzelnen Irrenoffensivleute standen völlig unterschiedlich zur AL. Manche wollten damit überhaupt nichts zu tun haben, hatten Angst, dort ›untergebuttert‹ zu werden; andere befürchteten, dass damit noch mehr Aktionen und Verpflichtungen auf sie zukommen würden; nur ein einziger arbeitete aktiv bei der AL mit. Die Einstellung zu ihr war jedoch tendenziell positiv.

Auf einer Beschwerdezentrumsitzung im Frühjahr '81 (ich war auch eine Zeitlang Mitglied im Beschwerdezentrum) planten wir, gemeinsam ein Haus zu besetzen: die Irren-Offensive und das Beschwerdezentrum zusammen. Statt ein Haus neu zu besetzen, hatten wir die Idee, in ein bereits besetztes Haus einzuziehen.

Der ›Wahn‹ ist die Sache, die Tradition und Konvention durchbricht. Deshalb ist darin die Chance, das Unmenschliche wieder menschlich zu machen, neue Wege zu beschreiten. (Bernd)

Die Irrenoffensivleute hatten viele Ideen, wie sie diese Chance verwirklichen könnten. Es war aber klar, dass eine Voraussetzung, um gemeinsame Lebenszusammenhänge zu entwickeln, entsprechende Räumlichkeiten sind. Den meisten Verrückten ist bewusst, dass die Entwicklung neuer Formen des Zusammenlebens gerade für sie von wesentlicher Bedeutung, ja der Punkt ist, an dem die Gefahr, wieder ›auszurasten‹ und deshalb in die Anstalt gebracht zu werden, in den Griff zu bekommen wäre.

Ich glaube, dass, wenn man die alternativen Lebensformen ausbaut, dass dann Therapie gar nicht mehr so notwendig ist, weil man im täglichen Leben trainieren kann, was man im früheren Leben versäumt hat, mit Leuten, die Verständnis, Erfahrungen haben; wo man dann versuchen kann, gemeinsam diese Schwierigkeiten aufzuarbeiten. (Manfred)

Viele haben als Zielvorstellung den Aufbau gemeinsamer Lebens- und Arbeitsstrukturen: zusammen die Schwierigkeiten im täglichen Leben angehen, die Bedürfnisse auszuleben versuchen, sich wehren.

Selbstorganisation und Selbsthilfe

Alle haben individuell verschiedene Bedürfnisse, Probleme, Schwierigkeiten; deshalb ist das Verständnis von Selbsthilfe unterschiedlich. Die Leute sind auf verschiedenen Entwicklungs- und Bewusstseinsebenen: die einen können dies besser, die anderen jenes; deshalb braucht der eine mehr Hilfe hier und die andere dort. Deshalb setzen alle unterschiedliche Schwerpunkte, was sie unter Hilfe zur Selbsthilfe verstehen.

Viele sehen als ersten Schritt hierzu, dass sie Kontakt zu anderen Betroffenen und dadurch das Gefühl kriegen, nicht mehr so isoliert, nicht mehr ganz so außenstehend, nicht mehr ganz so hilflos zu sein; dass sie wieder von sich aus aktiv werden, unter Menschen gehen und dort Unterstützung, Halt finden. »Das Gefühl, neben den anderen zu stehen, ist weg, wenn ich in die Irren-Offensive gehe.« (Vera)

Für alle Verrückten ist es sehr wichtig und für manche neu, dass sie außerhalb der Anstalt mit anderen Betroffenen reden können, dass die anderen zuhören, dass sie sich gegenseitig ernst nehmen, sich verstehen.

Ich habe noch nicht einmal erlebt, dass irgend jemand gelacht hat, wenn jemand was Peinliches oder Verrücktes erzählt. (Christa)

Ich fühle mich bestätigt. Gerade Gespräch ist wichtig, dass man so 'ne Art Gegenüber findet und nicht isoliert ist. (Andreas)

Einmal kam eine Frau zur Irren-Offensive, die schon mit dem Gedanken an eine Hirnoperation spielte, da ›in ihrem Kopf etwas nicht in Ordnung‹ sei. Sie konnte es kaum glauben, dass alle Mitglieder der Irren-Offensive auch schon in der Anstalt gewesen waren, denn sie hatte von sich den Eindruck, als würde man es ihr im Gesicht ansehen, dass sie ›irre‹ sei. Die Tatsache, dass wir als ehemalige Anstaltsinsassinnen und -insassen jedoch ›völlig normal‹ aussahen, überzeugte sie von ihrem unverdächtigen Äußeren und brachte sie von ihrem Vorhaben ab.

Voraussetzungen für einen gegenseitigen Austausch sind Offenheit, Vertrauen, echte menschliche Beziehungen. Erst dann ist eine intensive Begegnung möglich, wodurch sich die Leute bei der Selbstbefreiung gegenseitig unterstützen können. Die Interviewten sprechen je nach ihren individuellen Bedürfnissen von den verschiedensten Möglichkeiten dazu.

Manche haben verlernt, mit Menschen zu reden, und wollen dies wieder lernen. Andere kommen in die Irren-Offensive und sind noch mit Drogen vollgeknallt. Für sie ist es eine wesentliche Hilfe, wenn sie sehen, dass andere positiv über das Absetzen berichten, und wenn sie merken, dass die Leute, obwohl sie die Pillen weggeschmissen haben, nicht wieder in der Anstalt gelandet sind; dass zum ersten Mal ein positives Bild von Verrücktsein entsteht und dass sie einen Weg sehen gegen die Angst, die die Psychiater erzeugt haben. Für diejenigen, die bisher nur ertragen, erduldet, gelitten haben, die sich unterdrücken, diskriminieren, zerstören ließen, ist es ein ganz neues und einschneidendes Erlebnis, wenn sie den Mut finden, sich zu wehren. Es sind viele Leute in der Irren-Offensive, die hier zum ersten Mal gewagt haben, laut zu werden, zu brüllen, sich massiv zu wehren.

Claudia schildert, was sie von den anderen lernen möchte:

Ich kann das ganz deutlich an euch festmachen: Was ich an Tina gut finde, dass sie ihre Aggressionen rauslassen kann, das will ich lernen. Was ich an Bernd gut finde, dass er seinen Egoismus voll leben kann, das will ich lernen; dass Annedore ihr Verrücktsein rauslassen kann, das finde ich unheimlich toll; dass Manfred engagiert, aktiv wird dass Peter sich intensiv mit Sachen, die abgelaufen sind, auseinandersetzt, dass er das auch in die Öffentlichkeit führt, so wie den Prozess, den er gemacht hat.

Und Werner: »Was ich lernen kann, ist das, was ich fühle, denke, so mitzuteilen, dass die anderen es auch so aufnehmen, wie ich das sage: ›den Spiegel entzerren‹.« Die eigenen Gefühle kennenzulernen und versuchen, diese auch auszudrücken und auszuleben, das ist vielen sehr wichtig. Voraussetzung dafür ist, dass wir alle lernen, »... uns so zu akzeptieren, wie wir sind, nicht mehr irgendwelche Rollen zu spielen.« (Ludger) Dann werden die Betroffenen auch fähig, ihre Minderwertigkeitsgefühle über Bord zu werfen, sich von ihrer Selbstdiskriminierung und verinnerlichten Gewalt zu befreien, sich in ihrem ganzen Sein sicherer zu fühlen und neues Selbstvertrauen zu gewinnen.

Die Betroffenen haben alle ein gemeinsames Ziel, worin sie sich gegenseitig unterstützen: die Wiedereinweisung in die ›Klinik‹ zu verhindern. In der Irren-Offensive sind Leute dabei, deren Anstaltsaufenthalt schon Jahre zurückliegt, andere kommen gerade ›frisch‹ aus dem Irrenhaus. Trotzdem haben alle Angst, erneut den Psychiatern ausgeliefert zu sein.

Kurz bevor die Interviews stattfanden, hatte die gesamte Irren-Offensive ›versagt‹. Wir hatten nicht bemerkt, wie es einer Frau immer schlechter ging, bis sie für drei Tage in der Anstalt landete. Sie wurde zwar sofort besucht, kam auch kurz danach wieder in Freiheit, aber uns wurde bewusst, dass etwas schief gelaufen war. Wir erkannten, dass die Organisationsform der Irren-Offensive als Plenum – 20 bis 25 Leute – inzwischen viel zu groß war, als dass dort Probleme der einzelnen Leute angesprochen, geschweige denn angegangen werden konnten. Wer in dieser großen Gruppe zu Wort kam, waren die Leute, die keine Schwierigkeiten hatten, vor so vielen Menschen zu reden, sowie diejenigen, die sich selbst gerne reden hörten. Daraufhin beschlossen die Irrenoffensivmitglieder, zusätzlich zur Großgruppe Kleingruppen zu bilden, in denen fünf bis acht Leute ihre Erfahrungen aufarbeiten und ihre Probleme und Schwierigkeiten angehen wollen.

Wir haben inzwischen auch erkannt, dass wir Einweisungen ins Irrenhaus nicht völlig verhindern können. Nur wer regelmäßig in der Irren-Offensive erscheint, wer sich mit sich selbst und den anderen auseinandersetzt, kann darauf vertrauen, dass die Leute auch dann für ihn da sein werden, wenn es ihm oder ihr ›dreckig‹ geht – denn wir sind kein Samariterverein oder ein Verein, der auf Abruf Leute wieder so weit bringen könnte, dass sie gegen die Gefahr gefeit sind, in die Anstalt gesperrt zu werden. Dieses Problembewusstsein bestand von Anfang an in der Irren-Offensive; schon in der ersten Selbstdarstellung steht:

Das heißt aber nicht, dass bei uns angerufen werden kann nach dem Motto: »Anruf genügt und wir kommen.« Nur durch eine Mitarbeit können die eigenen Probleme gelöst werden, wobei wir selbstverständlich von der jeweiligen Verfassung der einzelnen Menschen ausgehen.

Wichtig ist, dass echte menschliche Beziehungen eingegangen werden, dass sich die Leute mögen, dass sie aneinander Interesse haben und dadurch dann auch bereit sind, diejenigen, die ›wegrutschen‹, zu unterstützen. Manche Betroffene meinen im Interview, dass sie, auch wenn sie in die Klapsmühle kämen, jetzt nicht mehr die Angst wie früher hätten, denn da hat sich etwas geändert: Sie würden sich nicht allein fühlen, draußen wäre eine Gruppe, die sich einsetzen kann, die versteht, die mitfühlen kann, die auch nach dem Anstaltsaufenthalt noch vorhanden ist.

Es gibt auch Betroffene, die es mit Hilfe der Irrenoffensivleute geschafft haben, ohne Einweisung eine Krise durchzustehen und zu überwinden. Wer einmal ohne Psychodrogen das ›Ausrasten‹ durchleben kann, wer da durchgehen kann, der wird auch nicht mehr so schnell total verrückt werden, dass alle hilflos zusehen müssen, wie sie ihn oder sie nicht auffangen können.

Außerdem sind die gesellschaftlichen Verhältnisse so, dass die Gefahr des ›Ausrastens‹, groß ist. Deshalb ist es notwendig, dass Betroffene lernen, auch individuell offensiv zu werden, sich zu wehren und durchzusetzen gegen die Normalen und die gesellschaftlichen Machtträger. »Es hat mich befreit, dazu zu stehen, im Geschäft zu sagen: ›Ich bin in der Irren-Offensive.‹ Diesen Mut hab ich durch die Irren-Offensive gekriegt.« (Ludger)

Wichtig für das individuelle Offensivwerden ist, dass sich Betroffene auch wirklich stark genug fühlen, dass sie sich gegenseitig unterstützen. Zum Beispiel gehen Mitglieder der Irren-Offensive nie allein zum Sozialpsychiatrischen Dienst, zur Polizei, zum Arbeits- oder Sozialamt. Sie werden dabei unterstützt von anderen Betroffenen und von Leuten, die ihre Kenntnisse und Fähigkeiten bereitstellen, ohne dass sie den Anspruch, Leute bevormunden zu können, daraus ableiten.

Voraussetzung, um mit sich selbst weiterzukommen, um sich von den eigenen Zwängen zu befreien, ist, dass die Betroffenen zu ihrem Verrücktsein stehen.

Ich fühl mich gut dabei, ich brauch mich nicht zu verstecken, ich brauch nichts verheimlichen, brauch nicht lügen. Ich nehm das als einen Teil meines Lebens, das will ich nicht wegstreichen, ich finde, das muss man akzeptieren. (Christa)

Viele erzählen allen und überall ganz selbstverständlich, dass sie in der Klapsmühle waren und was sie dort erlebt haben. Manche sind stolz darauf, verrückt zu sein. Wenn sie in der Gruppe lernen, sich selbst in ihrer Verrücktheit zu akzeptieren, dann werden sie auch fähig, das nach außen zu tragen, auch außerhalb der Irren-Offensive ihre Meinung offensiv zu vertreten. Dieses Nach-außen-Gehen ist für das Selbstwertgefühl außerordentlich wichtig und bewirkt, dass sich die Leute gut und stark dabei fühlen. Sie unterstützen sich gegenseitig, damit sie fähig werden, die Kräfte, die sie sonst gegen sich selbst powern, nach außen zu richten, damit sie lernen, ihren Hass zu erkennen, zu bestimmen und dann, statt ohnmächtig dazustehen, diesen produktiv umzusetzen gegen die zerstörerische Umwelt.

Das erfolgreiche Ausleben der Wut befreit, macht Spaß mit anderen zusammen, steigert das Kräftepotenzial, bringt neue Energie und Anerkennung.

Befreiung vom psychiatrischen Einfluss

Solange sie unter dem Einfluss der Psychiatrie und speziell unter pharmakologischer Dämmerwirkung stehen, ist es den Betroffenen grundsätzlich nicht möglich, die eigenen Gefühle kennenzulernen. Die verheerende, zerstörende Wirkung der psychiatrischen Psychopharmaka habe ich in meinem Buch (S. 133-139) angesprochen. Ich habe die Interviewten nicht gefragt, ob sie noch welche nehmen, ich weiß aber, dass die meisten inzwischen abgesetzt haben. Einzelne Betroffene beschreiben, welche Wirkung die ›Medikamente‹ auf sie hatten: Sie werden zu Robotern, passiv, werden depressiv, weil sie sich nicht mehr fühlen, nicht mehr kreativ sein, sich nicht mehr bewegen, nicht mehr reden können. Was bleibt, ist trotz der äußeren ruhigen Erscheinung ein inneres Chaos, ein totales Minderwertigkeitsgefühl.

Ich war halt minderwertig. Dass ich von all den Sachen, die ich vorher gerne gemacht hatte, was ich vorher an Lebensgefühl hatte, nichts machen konnte. Ich konnte nicht arbeiten, nicht allein in Urlaub fahren, nicht mal allein in meine Wohnung, ich konnte nicht schreiben, nicht lesen, nicht denken, mich nicht vernünftig unterhalten, mein Selbstwertgefühl war absolut auf Null, weil ich nichts mehr machen konnte, bei meinen Eltern wohnte. Ich spürte ganz klar, dass ich in einem tiefen Loch sitze. (Bernd)

Weil die derart Behandelten keinen Ausweg aus ihrem Leiden sehen können, haben viele Selbsttötungsgedanken, die von denjenigen, die noch in der Lage dazu sind, oft auch ausgeführt werden; alle in der Irren-Offensive kannten Leute, die keinen anderen Ausweg mehr gewusst hatten, als sich selbst zu töten.

Auf die Idee, ›einfach‹ die Psychopharmaka abzusetzen, kommen die meisten von sich aus nicht; dazu funktioniert die psychiatrische Gehirnwäsche zu gut. Viele Psychiatrieopfer haben starke Ängste vor dem Absetzen, denn sie werden nur von einem Gedanken, der ihnen eingetrichtert wurde, beherrscht: dass dann der nächste ›Rückfall‹ und die Einweisung in die Psychiatrie folgen müssen. Andererseits kann das durch die Chemie Unterdrückte nicht einfach verschwinden, sondern rumort im Innern weiter, ohne dass es zum Ausbruch kommen kann, denn ihnen ist ja der ›chemische Knebel‹ verabreicht. Allein die Erfahrung mit dem Absetzen kann hier dem Teufelskreis ein Ende setzen und neue Wege aufzeigen.

Ich habe mich viel mit Pharmaforschung beschäftigt und eine unheimlich negative Einstellung gegenüber der Pharma-›Behandlung‹ gekriegt. Ich habe selber gute Erfahrungen mit dem Absetzen gemacht und deshalb großes Interesse, das anderen Leuten weiterzuvermitteln. (Peter)

Die Irrenoffensivleute haben erkannt, dass vor allem Aufklärung über die zerstörerischen Drogen wichtig ist, dass die meisten noch zu wenig darüber wissen, dass sie sich informieren müssen; manche möchten eine Arbeitsgruppe dazu bilden, einiges wurde schon getan.

Die Gleichgültigkeit der Psychiater und ihrer Handlanger, der Psychologen, gegenüber dem Leben ihrer Opfer zeigte sich beispielhaft, nachdem in der Irren-Offensive die Zeitungsmeldung über eine möglicherweise krebsfördernde Wirkung des Neuroleptikums Penfluridol (Semap) bekanntgemacht und besprochen wurde: Als Claudia daraufhin ihre Psychologin bat, die Semap-Tabletten abzusetzen, willigte diese erst ein, als Claudia die Psychologin, die mit der Psychiatrie zusammenarbeitete, auf die Zeitungsmeldung hinwies. Mit den Worten »Ach, Sie wissen es ja schon« war die ›Sache‹ schnell erledigt. Kein einziger Semap-Konsument war von seinem Psychiater oder sonst einem ›Fachmann‹ auf die bekanntgewordene Gefahr hingewiesen worden. Erst als diese in der Irren-Offensive bekannt wurde, setzten die Leute das ›Medikament‹ ab.

In der Irren-Offensive wird öfters über die Funktion speziell der Neuroleptika diskutiert, wie Menschen durch deren stumpfsinnig machende Wirkung in die moderne Form der Sklaverei, die Arbeit in den sogenannten beschützenden Behindertenwerkstätten, gezwungen werden sollen.

Wenn eine Betroffene erzählt, ›ihr‹ Nervenarzt habe gesagt, dass bei ihr eine Therapie nichts nütze, weil die ›Krankheit‹ ja mit dem Lithiumgehalt im Blut zusammenhinge, dann heißt das, dass die Psychiater die Leute nicht nur volldröhnen, sondern sie zugleich auch als unheilbar Kranke diagnostizieren.

Wir haben in der Irren-Offensive einmal die Etikettierungen, die uns verpasst wurden (alle wussten sie nicht, sie wurden ihnen »in ihrem eigenen Interesse« verschwiegen), zusammengestellt und lernten dabei die verschiedensten Form der Psyc-Hosen und Neu-Rosen kennen, aber auch diagnostische Zuschreibungen wie ›notorischer Querulantenwahn‹ oder ›Hang zum alternativen Leben‹.

Die Aussagen der Betroffenen zeigen, dass sie erkannt haben, dass sie durch solche Etikettierungen entmündigt, unter psychiatrische ›Hilfe und Obhut‹ gestellt werden sollten mit dem Ziel, sie wieder ›gesund‹ und damit verwertbar, anpassungsfähig, kontrollierbar, normal zu machen. Der Krankheitsbegriff beinhaltet, dass zum einen die Schuld bei den ›Kranken‹ selbst liegt und zum anderen die ›Behandlung‹ eine medizinische Aufgabe darstellt und medizinische Fachleute und medizinische Hilfsmittel erfordert – eben Psychopharmaka, Elektroschocks, Gehirnoperationen.

In der Irren-Offensive erkennen die Leute mit Hilfe von anderen Betroffenen, dass sie nicht krank sind, sondern sich als Individuen sehen, die zum Beispiel etwas durchmachen müssen, eine gewisse Zeit brauchen, bis sie sich wieder o.k. fühlen, oder im Moment mehr Aufmerksamkeit und Unterstützung nötig haben. Sie lernen, das ›Durchdrehen‹ als Teil ihres Lebensprozesses, ihrer Lebensentwicklung zu sehen, sich als Irre im Sinn von Umherirrende und Suchende zu bezeichnen und zu ihrem Verrücktsein im Sinne von Weg-gerücktsein (von der Norm) zu stehen.

Es kommen auch Menschen zur Irren-Offensive, die noch ›krankheitseinsichtig‹ sind. Die Meinungen der Interviewten gehen tendenziell in die Richtung, dass sie sich von diesen Leuten, den ›Krankheitseinsichtigen‹, genervt fühlen.

Wenn sie sich als krank bezeichnen, beschränken sie das nicht nur auf ihre eigene Person, sondern sehen auch in mir ebenfalls den Kranken, Verrückten – denjenigen, der sich ändern muss, der geheilt oder therapiert werden muss. Sie tragen diesen Anspruch voll in die Gruppe rein; dies gibt dann jedesmal Clinch. Da sag ich, dass diese Leute nicht nur nichts begriffen haben, sondern in der Irren-Offensive völlig fehl am Platz sind. Sie müssten in eine Therapiegruppe, Gruppengesprächstherapie oder sonst was machen. (Peter)

Die ›Krankheitseinsichtigen‹ bringen den Konflikt – Was ist psychisch krank, was psychisch gesund? – mit; viele dieser Leute bleiben bald wieder weg – was sollen sie mit Verrückten? Andere bleiben, und dann passiert etwas: Sie sehen und erleben, dass sich ehemalige Anstaltsinsassinnen und -insassen nicht mehr verstecken, zu ihrem Verrücktsein offensiv stehen, dass sie sich von Psychodrogen und psychiatrischem Einfluss befreit haben und dafür die Normalität hinterfragen. Sie merken, dass diese Verrückten sich dabei wohl fühlen, nicht mehr in die Psychiatrie müssen; sie finden sich in diesen Erfahrungen und Erlebnissen wieder, dass sie sich selbst irgendwann fragen, warum sie denn nun eigentlich ›krank‹ und ›behandlungsbedürftig‹ sein sollen, so dass sie dann auch Konsequenzen ziehen und sich von dem Krankheitsbegriff befreien.

Leute, die in die Irren-Offensive kommen und dort Hilfe, Unterstützung finden, haben es nicht mehr nötig, sich an den Krankheitsglauben zu klammern.

Früher hab ich mich in so ein Kranksein reingesteigert, wollte psychisch krank sein – da hab ich Bücher drüber gelesen. Weil ich auch keine Hilfe bekam, dachte ich, wenn ich krank bin, dann bekomme ich Hilfe. (Andreas)

Selbstfindung und Selbstbefreiung

Intensive Gruppenprozesse laufen ab, seit sich in der Irren-Offensive zusätzlich zum Plenum (Großgruppe) Kleingruppen gebildet haben. Dort versuchen die Leute ohne erzieherischen Anspruch, ohne Maßregelung, sich selbst mit Hilfe von anderen weiterzubringen. In der Kleingruppe besteht die Chance zu lernen, Hemmungen abzulegen, sich zu öffnen, Gefühle und Gedanken auszusprechen, Neues zu probieren, sich selbst zu helfen, weil andere Betroffene da sind, die mitfühlen können, verstehen, keine Angst haben vor verrückten Ideen oder Taten, nicht abblocken.

Voraussetzung dafür, dass die Leute aufnahmefähig und bereit sind, sich zu öffnen, ist eine bestimmte Vertrauensebene. Dieses Vertrauensverhältnis kann sich nicht von heute auf morgen entwickeln. Gerade bei Menschen, deren Vertrauensfähigkeit derart überstrapaziert und missbraucht wurde, ist es nur konsequent, wenn sie misstrauisch sind, und auf der anderen Seite ist es gerade für sie ein ›unheimlich‹ starkes Erlebnis, wenn es ihnen gelingt, Vertrauen zu jemandem zu entwickeln. Es ist individuell verschieden, wann Betroffene für sich entscheiden, ob sie anderen vertrauen können. Da spielt die Zeit eine Rolle, wie lange sich die Mitglieder kennen; dann, wie sich die einzelnen verhalten, ob sie bereit sind, sich zu öffnen; und zudem liegt es bei jedem und jeder einzelnen, wie stark die Ängste sind, wie schnell sie die negativen Erfahrungen überwinden und die erworbenen Ängste, Zweifel und Blockaden aufbrechen können.

Wenn die Irrenoffensivleute ihr Ziel, nicht mehr in der Klapsmühle zu landen, verwirklichen wollen, sind sie gezwungen, das Verrücktsein ernstzunehmen. In der Kleingruppe besteht die Möglichkeit, sich damit auseinanderzusetzen.

Außerhalb der Irren-Offensive haben sie kaum die Gelegenheit, sich darauf einzulassen, nur unter Betroffenen treffen sie auf Experten, auf Erfahrene im Verrücktsein, und können mit deren Unterstützung bei sich selbst versuchen, Inhalt, Form und Ausmaß des Wahnsinns als Signale und Botschaften zu entschlüsseln, also den Konflikt, wie er im ›Wahn‹ ausgedrückt wird, zu verstehen.

Im »Antipsychiatrie-Programm« haben die Irrenoffensivleute geschrieben:

Die Ver-rückten – auch diskriminierend ›psychisch Kranke‹ genannt – sind Menschen, die geschädigt sind durch Kleinfamilie, autoritätsgeprägte und sexualfeindliche Erziehung, Schule, Berufsausbildung, Militär, Ehe, menschenfeindliche Arbeitsplatzsituation, Wohnbedingungen und Umwelt. Dadurch sind sie anpassungsunfähig bzw. anpassungsunwillig in der bürgerlichen Gesellschaft geworden.

Auch in den Interviews zeigen manche Betroffene, dass es ihnen inzwischen bewusst ist, warum sie ›ausgerastet‹ sind oder wo ihre verletzlichen Stellen liegen. Einige haben erkannt, welche Folgen die kleinbürgerliche Erziehung für sie hatte – die Gefühls- und Sexualverklemmtheit, der Zwang, immer lieb und artig sein zu müssen, nie aggressiv werden zu dürfen. Eine Betroffene sieht ihren Wahnsinn als den einzigen Selbstschutz, den sie noch hatte und worin sie sich flüchten konnte, weil alle anderen Schutzmechanismen wie zum Beispiel Verdrängen nicht mehr da waren. Andere werten das Verrücktwerden als ein positives, einschneidendes, produktives Moment.

Die Interviewten sprechen von ›bewusst zum Verrücktsein stehen‹, ›das Verrücktsein rauslassen‹. Sie haben erkannt, dass sie überall und immer bestimmte Rollen spielen mussten, dass sie nie so sein durften, wie sie sich fühlten, dass ihnen sogar die eigenen Gefühle fremd wurden. »Mein Anspruch an die Irren ist, dass ich dort so sein kann, wie ich mich gerade fühle, dass ich dort lernen kann, immer mehr zu mir selber zu finden und mich zu leben.« (Tina) In der Irren-Offensive besteht die Möglichkeit, dass die Betroffenen (manche auch im Plenum, andere bis jetzt nur in der Kleingruppe) ihr Bedürfnis, nichts spielen und nichts vorzeigen zu müssen, verwirklichen können. Tendenziell wollen die Leute lernen, das, was sie denken und fühlen, ohne Abstriche einzubringen, eben so zu sein, wie sie gerade sind mit all ihren Macken, Ängsten, Zwängen, Unfähigkeiten und auch in ihren Stärken. Hier ist ein Übungsplatz, sich selbst zu erleben, sich bewusst wahrzunehmen, sich damit auseinanderzusetzen, sich in anderen wiederzufinden, Neues zu probieren, um so langsam zu sich selbst zu finden, bewusst zu leben und auf der anderen Seite ebenso offen zu werden für das, was andere fühlen, mitteilen und zeigen. Dabei geht es den Leuten nicht nur darum, sich gut zu fühlen, sondern sie wollen auch lernen, den Schwierigkeiten entgegenzutreten und nicht mehr vor Dingen, die sie belasten, die Augen zu verschließen.

Wenn die Verrückten die Normalität hinterfragen und sagen, dass die ›Zwanghaft-Normalen‹ auf Sparflamme leben, dann bedeutet das, dass sie selbst dazu stehen, wenn sie emotional, spontan, phantasievoll, träumerisch, chaotisch, aggressiv, wütend sind, dass sie ihre Anpassungsunfähigkeit und -unwilligkeit als positives Moment erkennen, ihre eigenen Minderwertigkeitsgefühle abbauen und sich ihrer eigentlichen Stärke bewusst werden.

In der Irren-Offensive, da knallt es richtig, wir tragen das richtig aus! (Ludger)

Ich habe mir gestattet, in der Irren-Offensive rumzubrüllen, meine Aggressionen rauszulassen. Ich hab mir so was früher nie gestattet: »So was macht man eben nicht!« »Beherrschen!« Jetzt schaff ich das auch schon am Arbeitsplatz. Jedesmal wenn ich brülle und schreie, das tut mir gut, da geht's mir gut, ich weiß, dass ich das brauche. (Werner)

In der Irren-Offensive ist der Platz, wo die Leute lernen können, sich endlich zu wehren – statt wegzugehen, einzustecken, sich zu verleugnen. Statt auf sich selber sauer sein, sich selber zerstören, gelingt es den Betroffenen Schritt für Schritt, die Wut, den Hass zu bestimmen und produktiv umzusetzen.

Wichtig ist, dass die Verrückten sich allmählich von den Zwängen befreien, dass sie weinen, lachen, schwach und stark sein dürfen, dass sie Angst haben dürfen, aggressiv, geil, euphorisch und zärtlich sein dürfen; dass sie lernen, ihre Stärken auszuleben, Kreativität und Spontaneität rauszulassen, Verrücktsein produktiv umzusetzen in Gedichte, Artikel, Kurzgeschichten, Presseerklärungen, Lieder, neue Spiele und Theater, Malen, Comics, Collagen, Filme machen oder Feste feiern – alles, was die Leute in der Irren-Offensive schon praktizieren. »Ich habe in meinen schlechtesten Momenten Gedichte geschrieben, das war für mich wie so 'ne Art Lebensrettung gewesen.« (Andreas) Dadurch können die Verrückten ein ganz neues Selbstwertgefühl entwickeln, indem sie explizit das, was als verrückt, unnormal, krank abgewertet wird, als positives Moment erkennen und entsprechend handeln. Ausschlaggebend dabei ist, dass sie die Balance zwischen der äußeren, normalen Realität und der inneren, verrückten Realität halten können, dass sie fähig werden, beides zu leben: das Normale und das Verrückte.

Ich kann ausflippen, mit dem Gefühl rauskommen, aber auch wieder ruhig sein. (Andreas)

Dass ich versuche, meinen Wahn und das, was man mir als normal anlastet, unter eine Glocke zu bringen, das heißt zwei Möglichkeiten zu leben, zwei Möglichkeiten, die Welt zu sehen und für mich aus dieser Polarität eine Kraft rauszuziehen. Ich merk, dass das für mich 'ne Kraft ist. (Bernd)

Dadurch entsteht ein ganz neues Selbstwertgefühl – das Bewusstsein, beides zu können: verrückt sein und arbeiten zu können, verrückt sein und Verantwortung übernehmen zu können, verrückt sein und sich trotzdem anderen mitteilen zu können, verrückt sein und Kraft zu haben, verrückt sein und mit anderen leben zu können, verrückt und selbstbewusst, verrückt und glücklich sein zu können.

Autonomie und persönliche Entfaltung

Die Meinungen der Interviewten zu der Frage, ob in der Irren-Offensive die einzelnen für sich sprechen und ihre Individualität entwickeln können, sind unterschiedlich. Manche sehen das sehr positiv und sagen, dass sich dort niemand wie ein Therapeut verhalte, sondern dass die Gruppenmitglieder gleichberechtigt handeln. Andere berichten von Leuten, die versuchen, die Therapeutenrolle zu übernehmen, die ausfragen und gute Ratschläge geben möchten, ohne dass sie bereit wären, sich selbst einzubringen. Manche erzählen von sich, dass sie in der Irren-Offensive inzwischen gelernt hätten, sich gegen solche ›Therapeuten‹ zu wehren. Tendenziell zeigen die Aussagen, dass es den Betroffenen bewusst ist, dass nur sie selbst ihre Interessen und Bedürfnisse zum Ausdruck bringen können; dass aber dafür Voraussetzung ist, dass sich alle frei entfalten und bewegen können, dass sie eben so sein dürfen, wie sie gerade sind, ohne dass ein fremdbestimmter Anspruch gilt.

Andererseits kommt in den Interviews zum Ausdruck, dass die Möglichkeit zur persönlichen Entfaltung und Autonomie noch nicht ausreichend vorhanden ist, wie es sich die Betroffenen eigentlich wünschen. Sie haben aber die Schwierigkeiten erkannt und wissen, was zu tun ist: Die Gruppensensibilität muss sich stärker entwickeln gegen Leute, die über andere bestimmen möchten. Erst wenn sich die Gruppe gemeinsam wehrt, wird es möglich sein, dieses ungleiche Verhältnis aufzubrechen. Wichtig ist auch, dass die Leute das eigene Verhalten und das der anderen reflektieren, um somit eine Voraussetzung für eine gleichberechtigte Zusammenarbeit zu schaffen.

Manche haben schon gelernt, ihre Meinung nicht nur innerhalb der Irren-Offensive, sondern auch außerhalb zu vertreten. Es sind auch Leute dabei, die kaum oder gar nicht sprechen, die einfach nur anwesend sind. Auch das muss nach Meinung der Interviewten möglich sein, dass die Menschen nicht gedrängt werden, sondern dass sie so viel Zeit haben, sich zu öffnen, wie sie es individuell benötigen. Die Meinungen und Einstellungen zu dem Prinzip »Betroffene unter sich« sind unterschiedlich. Für viele ist es sehr wichtig und eine ganz neue Erfahrung, außerhalb der Irrenanstalt unter Verrückten zu sein. Wenn sie dort selbstbewusste Verrückte erleben, sind sie oft zunächst überrascht, dass diese Leute in der Anstalt gewesen sein sollen. Sie hielten sich bis zu dieser Erfahrung oft für irgendwie aussätzig. Dadurch, dass die Leute schon alle mindestens einmal in der Anstalt waren, entsteht eine gemeinsame Erfahrungsebene, die den einzelnen das Gefühl gibt, keine Angst haben zu müssen, nicht bloßgestellt zu werden, nicht so viel Erklärungen abgeben zu müssen, verstanden zu werden.

Für einige Irrenoffensivmitglieder ist das Wort ›Betroffene‹ sehr widersprüchlich, wenn darunter nur die Menschen fallen, die in der Anstalt waren. Sie vertreten die Meinung, dass es genügend Leute gebe, die – auch wenn sie nicht im Irrenhaus waren – ähnliches erlebt hätten; oder die sehr gefährdet seien, denen wir eine große Unterstützung sein könnten, weil sie vielleicht auch so empfindsam seien, dass sie mit sogenannten Normalen nicht mehr umgehen könnten. Diese Frage »Wer ist Betroffener?« ist in der Irren-Offensive noch nicht endgültig ausdiskutiert. Es wurde und wird darüber lange und oft gesprochen. Die Mehrheit hat sich immer wieder dafür entschieden, dass in die Irren-Offensive nur Leute zugelassen werden, die im Irrenhaus waren oder sind.

Einig sind sich alle Mitglieder darin, dass sie eine Art Freiraum ohne Professionelle und andere Nichtbetroffene wie Familienangehörige, Freundinnen und Freunde brauchen.

Weil nämlich gerade Leute, die mal in der Klapse waren, oft sehr abhängig sind von den Freunden oder den Familienangehörigen und sich dann wirklich nicht so äußern könnten, wie sie eigentlich sollten. Also die Irren-Offensive sollte da ein Stück für sich selbst sein. (Vera)

Dies ist nach Meinung der Betroffenen einfach auch deshalb wichtig, weil sie gezwungen sind, Tag für Tag und überall mit und unter Normalen zu leben.

Also, ich glaube, dass dieses Irresein, Verrücktsein ein Zustand ist, der unnormal ist, vom Normalen so weit entfernt ist, dass dieser Durchblick nur möglich ist, wenn man schon mal verrückt gewesen ist. Deshalb sind Normale in der Irren-Offensive fehl am Platz, weil sie mit der ganzen Problematik, mit diesem Unterschied leben zu müssen, nichts anfangen können, weil sie nur die eine Polarität haben. (Bernd)

Die interviewten Betroffenen sprechen auch noch von einem anderen Grund, warum sie unter sich sein möchten: Sie haben Angst, ausgebeutet, zum Lernobjekt gemacht zu werden. Viele haben erfahren, dass die Normalen zwar Interesse zeigen, dass sie sogar nachfragen, dass aber das Verständnis fehlt, dass es für sie mehr eine Faszination oder ein Bedürfnis ist, sich mangels eigenem Erleben und Leben durch Anhören fremder Erlebnisse Befriedigung zu verschaffen; oder dass sie ihre eigenen Probleme verdrängen und sich auf Kosten der vermeintlich Schwachen, Irren stabilisieren möchten.

Kritische Auseinandersetzung mit den ›Experten‹ und ›Expertinnen‹

In den Interviews kommt klar zum Ausdruck, dass die sogenannten Experten in der Irren-Offensive nichts zu suchen haben. Es gibt zwar Betroffene, die außerhalb der Irren-Offensive noch eine Therapie machen, aber einig sind sich alle darin, dass die Irren-Offensive als Selbsthilfegruppe die Professionellen ausschließen muss. Viele der Interviewten zeigen auf, dass und warum sie sich von den ›Fachmännern und -frauen‹ sowie ihren Therapien befreit haben bzw. befreien wollen. Denn wenn das Krankheitsurteil, das über die Verrückten gesprochen wird, von diesen selbst abgelehnt wird, dann stellt sich die Frage, warum sie sich noch behandeln oder therapieren lassen sollen.

Vielen Betroffenen ist inzwischen bewusst, dass sie selbst die Erfahrenen, die Experten, die Fachfrauen, -männer für Verrücktsein sind, weil nur sie das Verrücktwerden erfahren haben, weil nur sie wissen, was es heißt, als Verrückte von Psychiatern misshandelt zu werden, weil nur sie selbst erkennen können, wie sie leben möchten. Deshalb gibt es in der Irren-Offensive Leute, die sich gegen Therapien mit ihrem Re-normalisierungsziel und dem ungleichwertigen Verhältnis zwischen ›Patient‹ und Therapeut wehren, die den Expertenanspruch der Professionellen nicht mehr akzeptieren.

Da brauchen wir keinen Psychofachmann, da sind wir viel zu sehr Fachmänner für uns selber, da sich jeder in der Kleingruppe bewusst wahrnimmt. Bewusstheit ist eigentlich alles, mehr brauchste nicht, Fachmänner brauchste nicht. (Claudia)

Vorher hielt ich es noch für möglich, dass eine qualifizierte Hilfe was für mich sein könnte. Aber durch die Irren-Offensive, durch die Bestätigung, jetzt würde ich das nicht mehr machen, würde mich nicht bei so einem Typen ausquatschen. Glaube, das würde mich von mir wegbringen. (Bernd)

Tendenziell haben die Betroffenen den Glauben an die Professionellen verloren, indem sie für sich herausgefunden haben, dass Therapien Fremdbestimmung beinhalten, dass sie an dem vorbeigehen, was die Leute eigentlich möchten, und als Ziel haben, die einzelnen wieder an die normalen gesellschaftlichen Verhältnisse anzupassen, wobei der Veränderungsprozess allein beim Therapieobjekt stattfinden soll.

Ich hab mir noch zwei Monate gesetzt, wo ich dann sage: So, jetzt mache ich das, was ich für richtig finde, und nicht das, was der Fachmann mir vorschreibt. (Werner)

Nach der Verhaltenstherapie, da haben sich eine Reihe von Leuten umgebracht – dieser total individualisierende Ansatz, der die gesellschaftliche Umwelt ausklammert und das Verhalten an die beschissenen Bedingungen anpasst. (Tina)

Die Mehrheit der Irrenoffensivmitglieder ist auch nicht mehr bereit, sich einer Therapie zu unterziehen, in der der Therapeut als der große Durchblicker und Könner dasitzt und zuhört, also nicht bereit ist, sich selbst mit seinem eigenen Leben einzubringen. Manche bezeichnen im Interview die Therapie als Ersatz für fehlende, echte, menschliche Beziehungen. Es besteht auch die Angst, dass in dem Moment, wenn die Therapie beendet wird, die Therapierten plötzlich allein dastehen, ganz auf sich gestellt sind und alles wieder zusammenbricht.

Viele der Betroffenen haben erkannt, dass sie, auch wenn sie noch Therapie machen, auf Menschen zugehen und versuchen müssen, zu diesen eine Vertrauensebene aufzubauen, damit die Therapie allmählich überflüssig wird. Einigen ist bewusst, dass die Arbeit an sich selbst nicht genügt, sondern dass es gilt, die kaputtmachenden Lebensumstände zu verändern.

Die Irrenoffensivleute setzen sich nicht nur innerhalb der Gruppe und individuell mit Professionellen kritisch auseinander, sondern sie sind auch ständig in dem Rahmen, wie sie sich treffen, gezwungen, sich mit der Außenwelt zu beschäftigen.

Für sich spricht, dass wir im KommRum als Selbsthilfegruppe von 20 bis 25 Leuten in einem winzigen Raum, im sogenannten Glaskasten, eingepfercht waren, während in einem fünfmal größeren Raum fünf bis acht Leute mit ihren ›Experten‹ therapierten.

Abbau von Machtverhältnissen

Die Interviewten sprechen einerseits von einem gewissen Gruppenzusammenhalt, andererseits von dem ›Chaos‹, das alle in sich haben und sich in der Gruppe widerspiegelt, das für viele aber das besondere dieser Gruppe darstellt, weil sie nicht – wie andernorts üblich – autoritär oder streng strukturiert ist.

Die meisten sehen die Auseinandersetzungen, die Streitereien, die harten Diskussionen, das ›Chaos‹, das dort herrscht, nicht negativ, sondern als Gruppenbildungsprozess, der sich in vielen Auseinandersetzungen stärker entwickelt, die Gruppe immer mehr zusammenwachsen lässt.

Wenn die Irrenoffensivleute die Gruppe genauer ansehen, über sich selbst und andere Mitglieder sprechen, dann stellen die meisten fest, dass es ganz verschiedene Rollen gibt, die aber nicht statisch bleiben, sondern wechseln können, je nachdem, was gerade besprochen oder angegangen wird, wie die einzelnen Leute sich fühlen, wer anwesend ist und wer nicht. Von vielen wird kritisiert, dass manche zu viel reden, ›quatschen‹, sich immer in den Mittelpunkt stellen müssen; andere sehen das wiederum nicht so negativ und meinen, dass das bei jeder und jedem einzelnen ein notwendiger Prozess sei.

Wichtig und auch neu ist für viele, dass ihnen offen gesagt wird, was die anderen an ihnen zu kritisieren haben. Gerade dieses offene Austragen von Konflikten ist außerordentlich wichtig für Menschen, die meist an der Unaufrichtigkeit und Unoffenheit ihrer Umwelt ›ausgerastet‹ sind. Manche Interviewte haben den Eindruck, dass die Leute zum Teil in der Irren-Offensive völlig aufgehen, »dass sie das, was sie brauchen, gefunden haben« (Vera) und dass sie sich in der Irren-Offensive insgesamt wohl fühlen, dass sie ehrlich und offen zueinander sind. Andere erleben nur einen Teil der Mitglieder als engagiert, den anderen Teil als sehr zurückgezogen und distanziert, einzelne so, dass diese nur über sich selbst reden wollen. Einer bezeichnet die Rollen als Rollenspiele und sieht darin einen Teil Selbsterfahrung:

Das hängt auch wieder damit zusammen, dass die Leute alle verrückt sind, dass alle genau spüren, dass das ganze Mackertum, das Vorne-, Oben-, Untensein Rollen sind, dass die jeder spielen kann. (Bernd)

Bestimmte Irrenoffensivleute werden oder wurden zeitweise von manchen anderen Mitgliedern als sehr dominant empfunden; andere Interviewaussagen zeigen, dass auch die Dominanz sich ständig ändert.

Eine unterschwellige, aber sehr starke Form der Machtausübung ist die Sprache. Manche Interviewte zeigen Schwierigkeiten mit der Kommunikation auf. Sie fühlen sich allein, unverstanden, weil sie oft die Sprache nicht verstehen, sei es, dass sie zu abgehoben, zu theoretisch ist, dass die Leute sich nicht klar ausdrücken können oder mit Fremdwörtern wild um sich werfen. Das bewirkt, dass manche, die sich noch nicht wehren können, sich selbst dadurch als minderwertig erleben, weil sie nicht so ›gebildet‹ sind, dass sie nicht nachfragen und kritisieren, sondern abschalten oder sogar weggehen.

Das Gefühl hab ich unheimlich oft, dass wir so 'ne Scheinkommunikation führen, die überhaupt nicht die wirklichen Punkte berührt, sondern nur an der Oberfläche dahinrast. Das stört mich dann auch, aber ich bin nicht fähig, das aufzudecken und aufzuknacken, weil ich befürchte, dann in eine feste Rolle reinzukommen. (Claudia)

Einerseits wünschen sich manche Betroffene, dass in der Irren-Offensive die Leute ihr Verhalten gegenseitig reflektieren, andererseits haben sie Angst vor dem Aussprechen der Kritik, weil sie befürchten, in eine feste Rolle (zum Beispiel Therapeutenrolle) gedrängt oder von anderen dafür angegriffen zu werden. Wir haben dies in der Irren-Offensive schon oft problematisiert und darüber gesprochen, wie leicht jemand in so eine Rolle kommt, wie schwierig es aber ist, sich davon wieder zu befreien, eben auch die anderen Mitglieder so weit zu bringen, dass sie einen aus dieser Rolle wieder ›rauslassen‹.

Den Interviewten ist zum Teil bewusst, dass es in einer Selbsthilfegruppe notwendig ist, dass die Mitglieder gleichberechtigt und selbständig zusammenarbeiten. »Da sollte jeder versuchen, sich so einzubringen, dass die anderen auch zum Zug kommen.« (Manfred) Auf der anderen Seite sehen sie, wie bestimmte Mitglieder versuchen, andere als Macher herauszufordern, so dass diese gezwungen sind, sich dagegen zu wehren oder, wie Claudia sagt: »Der Peter hat nur seine Rolle dadurch abbauen können, dass er sich total zurückzieht, er hat's nicht anders geschafft.« Dieser meint dazu:

Es hilft mir auch, wenn noch andere Leute da sind, die mir sagen, was ich mache, die mich auch kritisieren, die aber von sich aus ganz bestimmte Impulse in die Gruppe reintragen können oder müssen, wenn's total bescheuert läuft.«

Tendenziell meinen die Betroffenen, dass die Rollen des Mackers, Machers, Anführers, Antreibers, auch die des Theoretikers, Beobachters, des Distanzierten nur abgebaut werden können, wenn die Leute das Verhalten bei sich selbst und auch gegenseitig reflektieren, dass sie sich einen Spiegel vorhalten und zunächst einmal erkennen, was abläuft. Wichtig ist, damit auch andere Mitglieder von sich aus Impulse in die Gruppe einbringen können, dass die Aktiven sich zurücknehmen, damit andere aktiver werden können. Das kann bedeuten, dass eine Zeitlang weniger geschieht, dass Frust und Chaos herrschen, dass aber dafür allmählich andere, bisher passive Leute etwas tun und somit auch ein Stück Verantwortung übernehmen werden.

Am Anfang war ich total ruhig. Jetzt bin ich aufgelebt, ich gehöre zu denjenigen, die am meisten sagen. Diese Entwicklung kann jeder durchmachen, wenn er seine Schwierigkeiten erkennt und versucht, diese in der Gruppe zu überwinden. (Manfred)

Ungeschriebenes Gesetz ist in der Irren-Offensive, dass die Mitglieder Informationen, die sie von anderen Betroffenen erhalten, nicht nach außen tragen. Wird dennoch ein solcher Fall bekannt, wird er offen diskutiert; meist ahnden die Irrenoffensivleute den Verstoß so, dass sie vor dem ›Plappermaul‹ nichts mehr sagen. In der Kleingruppe, wo das Vertrauensverhältnis und die Intimität besonders wichtig sind, führte dies im bislang einzigen Konfliktfall zum sofortigen Ausschluss – nicht aus der Irren-Offensive, aber aus der Kleingruppe.

Ein anderer Anlass, an dem immer klar wird, dass die Betroffenen befürchten, unter Fremdkontrolle und in den alten Objektstatus zu geraten, ist die Geld- bzw. Finanzierungsfrage. Tendenziell ist den Irrenoffensivmitgliedern bewusst, dass es für sie als Gruppe sich langsam emanzipierender Personen den Todesstoß bedeuten würde, würde sie von Institutionen abhängig. Andererseits haben wir schon immer über Selbstausbeutung und darüber diskutiert, dass die Arbeit, die wir leisten, eigentlich bezahlt werden müsste, weil wir diejenigen Schäden unbezahlt zu beheben versuchen, die andere bezahlt verursachen. Einige der Interviewten zeigen auf, wie wenig Zeit ihnen bleibt, wirklich das zu tun, was sie möchten und was wichtig und notwendig wäre, weil sie täglich acht Stunden arbeiten müssen.

1980 erfuhren wir von der Möglichkeit, bei der Berliner Senatsverwaltung über den autonomen Arbeitskreis ›Finanzierung von Alternativprojekten Berlin‹ Finanzmittel zu beantragen: pauschal, ohne Auflagen. Gerade für die Irrenoffensivmitglieder wäre eine derartige Finanzierung die Chance, da sie als Verrückte ›anders‹ leben möchten und in herkömmlichen Betrieben und Einrichtungen aufgrund ihrer Vergangenheit und ihrer jetzigen Art zu leben ohnehin selten unterkommen.

Die erste ›Krönung‹ in der Geschichte der Diskriminierung der Irren-Offensive war die Aufnahme in die sogenannte »Behindertenliste«: In der »Anschriftenliste von Behinderteninitiativen«, herausgegeben von der ›Stiftung für staatsbürgerliche Mitverantwortung Die Mitarbeit‹ in Heiligenhaus bei Düsseldorf im März 1981, fanden wir uns wieder neben dem »Block Deutscher Hirnbeschädigter« und anderen Initiativen für Menschen, die als geistig behindert gelten. Ohne dass je ein Mitglied gefragt worden wäre, wurden wir einfach in diese Liste aufgenommen. Manfred protestierte sofort im Namen der Irren-Offensive, aber die Initiatoren hielten es nicht für nötig, uns zu antworten.

Wenn wir uns dagegen wehren, dass wir derart diskriminiert werden, dann soll das nicht heißen, dass wir uns von Menschen distanzieren, die auch als Behinderte etikettiert werden, im Gegenteil: Wir solidarisieren uns mit diesen (zum Beispiel mit der Krüppelgruppe), die ebenfalls gegen ihre Entmündigung und Diskriminierung kämpfen. Aber bezeichnend ist, dass wir in einen Topf mit Hirngeschädigten geworfen werden, dass unser Verrücktsein mit organischer Hirnschädigung gleichgesetzt wird.

Im Rahmen der Überarbeitung des AL-Wahlprogramms für die Neuwahlen im Mai '81 wurde die Irren-Offensive zur Mitarbeit an einem Psychiatriereformprogramm eingeladen. Wir schrieben ein radikales antipsychiatrisches Programm. Mit allerlei hanebüchenen Tricks versuchten daraufhin psychiatrisch Tätige, unsere Aussagen zu verwässern oder in ihrem Sinne umzubiegen. Die Irrenoffensivmitglieder fanden es bezeichnend, dass – als Betroffene zum ersten Mal in der deutschen Psychiatriegeschichte ihre psychiatriepolitischen Vorstellungen formulierten – prompt ›fortschrittliche‹ Sozialpsychiater, Mediziner und Psychologen zur Stelle waren, um zu verhindern, dass Betroffene ungehindert zu Wort kommen konnten. Bezeichnend war auch das Argument, mit dem sie in der Hauptdiskussion der AL-Mitgliederversammlung versuchen wollten, einen Stimmungsumschwung herbeizuführen: »Mit einem solchen Psychiatrieprogramm, wie es die Irren-Offensive entworfen hat, wird man keinen der Psychiatriebeschäftigten dazu bringen, die AL zu wählen.«

Wo sind die Grenzen?

Ludger, ein Mitbegründer, meint auf die Frage, ob es Grenzen für die Irren-Offensive gäbe: »Bisher sind wir so weit gekommen, wie wir überhaupt nicht erwarten durften.« Es gibt auch Interviewaussagen, die zeigen, dass Betroffene nicht nur über Möglichkeiten und Perspektiven sprechen, sondern dass sie an bestimmten Punkten Grenzen sehen. Diese werden gemäß dem Bewusstsein, den Erwartungen, Bedürfnissen und Ansprüchen der Irrenoffensivleute verschieden bestimmt. Ich werde die in den Aussagen benannten Grenzen nach denselben Kriterien wie im vorigen Kapitel zusammenfassen.

Zusammenschluss der Betroffenen

Ein Hauptproblem sehen die Mitglieder in der starken Fluktuation: dass in dem Grad, wie die Irren-Offensive bekannter wird, immer mehr Leute dazukommen, dass aber auch zugleich Leute wegbleiben, wobei die Gruppe den Grund für das Wegbleiben nicht erfährt; dass dieses ewige Kommen und Gehen die Gruppe keine Ruhe finden lässt, dass sie sich deshalb nur unter schwierigsten Bedingungen festigen kann.

Ja, was zur Zeit nicht herrscht, ist ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Es fehlt die Harmonie; da sehe ich auch ziemlich schwarz für die nächste Zeit, weil dazu die ganze Sache zu zerfahren ist. (Manfred)

Die Gruppenmitglieder wissen, dass die Neuen von sich erzählen wollen, dass sie eigentlich besonders viel Zuwendung, Entgegenkommen, Verständnis brauchen, dass sie aber auf eine Gruppe treffen, in der für solche Bedürfnisse momentan nicht genügend Platz ist. Wenn jemand zum erstenmal in die Irren-Offensive kommt und erzählt, warum er oder sie in dieser Gruppe mitmachen möchte oder was er oder sie erlebt hat, dann bleiben die anderen Gruppenmitglieder zunächst anonym. Denn es ist eine schlichte Überforderung für alle, wenn sie bei jedem Treffen immer wieder ihre Geschichte und ihre Interessen darstellen sollen. So wie es sich momentan in der Irren-Offensive verhält, können sich Neue nicht angenommen fühlen, denn nach dem Plenum verschwindet ein Großteil der Leute in Kleingruppen. Unter diesen Bedingungen bleiben eigentlich nur solche, die ein entsprechendes Durchhaltevermögen haben, die einen bestimmten Frust ertragen können. Viele Interviewte meinen, dass es eigentlich notwendig wäre, ein Extratreffen für Neue zu planen, weil wir in der Irren-Offensive auch nicht mehr so vorsichtig miteinander umgehen, weil im Plenum viel Organisatorisches besprochen werden muss, was zunächst einmal Neue, denen das alles fremd ist, abstoßen muss.

Kampf gegen psychiatrische Menschenrechtsverletzungen

Sowohl das individuelle Offensivwerden als auch die Kraft und der Mut, sich zu wehren, hängen davon ab, wie weit die Betroffenen in ihrer Entwicklung sind. Manche Interviewte sehen zwar die Öffentlichkeitsarbeit und die Offensive grundsätzlich als positiv und notwendig an, zeigen aber auf, dass sie sich selber dazu noch nicht in der Lage sehen: »Ich habe mit mir selber soviel zu tun.« Menschen, die erst schrittweise wieder lernen müssen, Selbstverantwortung zu übernehmen, die mit ihren eigenen Problemen so stark beschäftigt sind, dass sie sich auf andere nicht einlassen können, sind in dieser Situation überfordert, wenn sie auch noch politisch aktiv werden sollen. Die Frage, wohin sie dann ihre Aggressionen, ihre Wut, ihre Ängste steuern, wenn nicht gegen sich selbst oder ›Unschuldige‹, bleibt offen.

Einige Betroffene beklagen sich, dass wir eigentlich zu viel reden und zu wenig tun, dass wir zu wenig an die Öffentlichkeit treten, zu wenig Aktionen machen, dass wir zwar viel planen, aber kaum etwas verwirklichen. Sie sehen die Grenze unter anderem momentan darin, dass die Gruppe sich einfach noch nicht genügend stabilisiert hat, dass viele Kräfte, die man sonst aktiv einsetzen könnte, beim Gruppenbildungsprozess und der internen Konfliktbearbeitung verbraucht werden. Andererseits gibt es so viel zu tun, dass wir alleine damit überfordert sind; dass wir uns bis jetzt zum gemeinsamen Kampf nur mit wenigen Gruppen zusammengeschlossen haben, liegt nicht nur an uns, sondern an der Begrenztheit der politischen Bewegung, sowohl quantitativ als auch qualitativ: an der relativen Schwäche der fortschrittlichen Kräfte, die sich zudem häufig in Diffamierungskampagnen der Verrückten als psychisch Kranke und Behinderte einspannen lassen. Wir können nicht als Grüppchen die gesellschaftlichen Verhältnisse verändern, deshalb sind auch Aktionen wie zum Beispiel eine Wiederbemündigung sehr aufwendig, ja fast aussichtslos. Dazu benötigen die Betroffenen Gegengutachten, doch gerade an diesem Punkt stoßen sie an Grenzen, denn ›eine Krähe (sprich: Psychiater) hackt der anderen kein Auge aus‹. Es passiert, dass sie ewig und überall gegen Mauern rennen und dass ein Gutachten, das einmal ein Psychiater erstellt hat, die ›Betreuten‹ weiterhin in allen Lebensbereichen bevormundet und aller Rechte beraubt.

Noch schwieriger und aussichtsloser wird der Wiederbemündigungsversuch, wenn sich die Betroffenen zu ihrer Verrücktheit bekennen, wenn sie nicht bereit sind, sich von verrückten Ideen und Zielen zu trennen. Es gibt zwar engagierte Leute unter den Nichtbetroffenen, zum Beispiel einige Rechtsanwälte, aber solange diese auch nur vereinzelt aktiv werden, ist es möglich, dass weiterhin die Entmündigung und Diskriminierung der Verrückten betrieben wird, dass sich die Psychiatrie in Form der Gemeindepsychiatrie ausweitet und dass sich die Präventivstrategie, die Früherkennung der Andersartigen, immer mehr verschärft.

Kollektive Auseinandersetzung mit den Lebensbedingungen

Auch hier bestehen momentan ähnliche Grenzen. Manche Gruppenmitglieder sind mit ihren eigenen Problemen und Schwierigkeiten so beschäftigt, dass sie unfähig sind, aktiv gemeinsam mit anderen und und für andere etwas zu tun. Die Gruppe wurde zwar immer größer; dadurch nahmen aber auch die Konflikte und Probleme zu, so dass die einzelnen sich zunächst einmal als Gruppe zusammenraufen müssen, bevor sie Ziele wie den Aufbau gemeinsamer Lebenszusammenhänge oder das Schaffen von Freiräumen und Perspektiven angehen können.

Durch die Chaosgeschichten, die manchmal da sind, wenn irgendwelche Leute sich nicht gut fühlen und nicht darüber sprechen und dann Aggressionen haben und mit Worten boxen, geht 'ne Menge verloren, was man erarbeiten könnte. (Christa)

Die Interviewten zeigen auch, dass für sie die Wohnsituation ein ungelöstes Problem ist, dass sie nicht alleine wohnen möchten, aber keine Alternative sehen. Hier liegt die Grenze in den gesellschaftlichen Verhältnissen, dass es auf dem normalen Wohnungsmarkt inzwischen für Menschen mit geringem Einkommen unmöglich geworden ist, große Wohnungen zu mieten, da diese nicht mehr an Wohngemeinschaften und schon gar nicht an Verrückte vergeben werden. Dasselbe gilt für die Irren-Offensive als Gruppe, die sich im KommRum auf engstem Raum treffen muss und dort keine Möglichkeit hat, sich weiter zu entfalten. Die Grenze liegt hier momentan auch in der Angst vieler Betroffener, ein Haus zu besetzen; sie kann aber auch in der Angst davor liegen, selbständig, unabhängig, eigenverantwortlich zu werden.

Die Suche nach Verbündeten und der Zusammenschluss mit ihnen ist dadurch derzeit begrenzt, da erst eine in sich geschlossene Gruppe, die weiß, was sie möchte, nach außen gehen und Verbündete um sich scharen kann; ansonsten läuft sie Gefahr, wiederum verobjektiviert und benutzt zu werden. Außerdem haben die Irren-Offensivler bisher schon mehrmals erfahren, wie sie auf der Hut sein müssen vor Leuten, die vorgeben, im Interesse von Betroffenen zu handeln, in Wirklichkeit diese aber nur wieder befrieden und hintergehen möchten.

Selbstorganisation und Selbsthilfe

Die Grenzen liegen im Selbsthilfeprinzip an sich: »Das passiert einfach nicht, dass irgendeinem geholfen wird, bloß weil er die Forderung stellt. Da macht jeder was für sich, egal was er macht.« (Bernd) In der Irren-Offensive besteht kein Helfzwang, sondern die Leute unterstützen sich gegenseitig dann, wenn sie selber das Bedürfnis dazu haben, wenn ein echter persönlicher Bezug zwischen den einzelnen besteht. Hier zeichnet sich klar die Grenze ab, was in der Irren-Offensive möglich ist und was nicht. Wieweit eine Person unterstützt wird, hängt individuell davon ab, wie weit sich andere darauf einlassen; das ist von Fall zu Fall verschieden.

Manche Betroffene äußern im Interview, dass sie noch nicht das nötige Vertrauen besitzen; dass sie Angst haben, die anderen könnten ihre Probleme nicht verstehen und nicht ernstnehmen; dass sie andere damit zu sehr belasten; dass sie zu viel Zeit beanspruchen könnten und die anderen dann zu kurz kämen; dass sie überhaupt noch Angst haben, sich in einer Gruppe zu öffnen, oder dass sie befürchten, abgeblockt und abgelehnt zu werden, wenn sie von sich erzählen; dass sie Angst haben, zu viel von sich preiszugeben. Deshalb gibt es Leute in der Irren-Offensive, für die Einzeltherapie noch wichtig ist, die Therapie als hilfreiche Unterstützung sehen, weil sie dort Vertrauen gewonnen haben, weil der Therapeut ihnen alleine zur Verfügung steht, weil sie sich dort nicht auch noch mit Problemen anderer Leute konfrontieren oder das ›Chaos‹ erleben müssen. Die Grenze für den Selbsthilfeansatz sehen die Befragten bei denen, die völlig unselbständig, gleichsam zu Kleinkindern gemacht wurden, die überhaupt noch nicht in der Lage sind, selbst etwas zu tun, bei denen kein einziger Lebensbereich befriedigend gelöst ist. Nach Meinung der Interviewten besteht hier keine Möglichkeit, solchen Leuten die Unterstützung zu bieten, die sie benötigen. Die Irrenoffensivmitglieder waren ja alle mindestens einmal in der ›Klinik‹, wo sie viel Leid ertragen mussten; das heißt dass alle mit ihren eigenen Problemen und Schwierigkeiten kämpfen müssen und viel aufzuarbeiten haben, dass sie auch Unterstützung von anderen brauchen, also nicht nur immer andere unterstützen können.

Die Interviewten nehmen auch kritisch Stellung dazu, wie weit jemand unterstützt werden soll:

Ich find's ganz wichtig, dass man den Leuten in'n Arsch treten muss, dass man keine Helferrolle einnimmt, sondern Hilfe zur Selbsthilfe anregen muss, und wenn's in kleinen Schritten ist: dass man mit ihnen zum Beispiel Ämtergänge macht, versucht, sie zu unterstützen. (Manfred)

Zum Teil sollten wir die Unterstützung geben, aber zum Teil halte ich das für schädlich, Leuten zu viel Hilfe zu geben, es ist ganz gut, wenn sie auch ein Stück hängengelassen werden, wenn sie auf ihre Selbstverantwortlichkeit gedrängt werden. (Claudia)

Einige Irrenoffensivleute haben erkannt, dass sie nicht die ganze Misere, die vorhanden ist und die andere schaffen, ändern können, dass sie sich selbst übernehmen, wenn sie sich nicht von dem Anspruch befreien, alle, die Hilfe fordern, unterstützen zu müssen. Wichtig und Voraussetzung dafür, dass eine Selbsthilfegruppe bestehen und den Bedürfnissen der einzelnen Mitglieder gerecht werden kann, ist ein entsprechendes Gleichgewicht zwischen Leuten, die inzwischen einigermaßen stabil sind, und anderen, die noch viel Unterstützung benötigen. Verändert sich dieses Gleichgewicht zuungunsten der ›Stabilen‹, sind diese total überfordert und können weder sich selbst noch anderen unter solchen Bedingungen helfen. Von daher kann die Irren-Offensive nur bis zu einer bestimmten Grenze Hilfestellung bieten.

Befreiung vom psychiatrischen Einfluss

Viele Betroffene sehen die Grenze der Selbsthilfe dort, wo jemand in die ›Krise‹ kommt; sie meinen, dass dann die Möglichkeiten fehlen. Das fängt bei den Räumlichkeiten an, dass die meisten isoliert wohnen; einen ›Problemfall‹ alleine auszuhalten ist in aller Regel von einer Person nicht zu schaffen. In den Interviews sprechen die Leute von Krisenintervention, die ansatzweise vorhanden ist, die aber ausgebaut werden müsste, um der Psychiatrie etwas entgegenzusetzen, sie überflüssig zu machen.

Eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung wurde zwar einmal praktiziert, aber bei der Betroffenen endete es damit, dass Nachbarn die Feuerwehr riefen, weil das Geschrei der Frau gestört hatte. An dieser Aktion werden zwei Grenzen deutlich: Einmal geht es über die Kräfte der Irrenoffensivler, wenn sie öfter ›Krisenintervention‹ machen sollten, zum anderen fehlt ein Asyl, eine Rückzugsmöglichkeit, wo die Leute schreien und toben dürfen, ohne dass sofort die staatliche Gewalt eingreift: ein Verrücktenhaus. Die soziale Umwelt ist derart intolerant, dass Leute, die auf ihrem ›Trip‹ sind, eigentlich ständig von einem ›Schutztrupp‹ begleitet werden müssten, wenn sie aus dem Haus gehen. Das bedeutet aber eine absolute Überforderung der Irren-Offensive, wenn nicht noch andere Menschen, einfühlsame Nichtbetroffene, mitarbeiten.

Die Verrückten in der Irren-Offensive werden bei ihrem Versuch, sich von der Psychiatrie zu befreien, von fast niemandem unterstützt. Kaum irgendwo wird die Psychiatrie ebenso radikal abgelehnt. Wir haben uns in der Irren-Offensive nur einen winzigen Freiraum geschaffen: Ist das Treffen beendet, sind die Leute wieder mit der Propaganda in Presse und Rundfunk, wie wichtig doch die Psychiatrie sei, und mit Menschen konfrontiert, die uns ständig diskriminieren und bei der geringsten Abweichung oder Auffälligkeit nach Psychiatern rufen. Werden einerseits die Heroindealer und -konsumenten verfolgt und bekämpft, so dürfen die Dealer in Weiß, die Abhängigkeit und Zerstörung in ganz anderen Größenordnungen erzeugen, ihr Milliardengeschäft sogar als ›medizinische Heilbehandlung‹ betreiben. Die Psychiater nutzen die hypnoseartige Wirkung der Psychodrogen, um den Leuten die ›Notwendigkeit‹ des Weiterschluckens einzuhämmern, deshalb ist es auch in der Irren-Offensive sehr schwer, an Leute heranzukommen, die noch unter Drogeneinfluss stehen.

Hier sind die Möglichkeiten der Irren-Offensive stark begrenzt. Dagegen anzukämpfen, ist fast aussichtslos, solange nicht anderen gesellschaftlichen Gruppen bewusst wird, dass auch sie sich wehren müssen; denn die Gemeindepsychiatrie und die ›Psychisch-Kranken‹-Gesetze stellen die Instrumentarien sicher, um alle, die sich nicht entsprechend der herrschenden Normalität verhalten, psychiatrischer ›Behandlung‹ zu unterziehen, in pharmakologischen Dämmerschlaf zu versetzen und dadurch ›aus dem Verkehr zu ziehen‹.

Selbstfindung und Selbstbefreiung

Manche Betroffene haben das Gefühl, dass sie das, was in der Großgruppe abläuft, schädigt und dass sie dadurch noch mehr blockiert werden; sie sehen in den Kleingruppen die Möglichkeit, mit sich selbst weiterzukommen. Aber nach Meinung vieler Mitglieder haben sich diese noch nicht genügend gefestigt; es sind auch noch lange nicht alle Leute in solchen Gruppen. Der Gruppenbildungsprozess ist sehr schwierig; er scheitert oft daran, dass die einzelnen Mitglieder sich nicht trauen, klar zu sagen, mit wem sie in eine Gruppe möchten und mit wem nicht, und dann lieber selbst wegbleiben. Es gibt auch Mitglieder, die in keine Kleingruppe aufgenommen werden, obwohl sie es wünschen, da sie entweder unbeliebt sind oder die Kleingruppenkapazität begrenzt ist; oder sie wollen nicht. Viele schaffen es auch nicht, von sich aus die Initiative für den Aufbau einer solchen Gruppe zu ergreifen.

Voraussetzung, dass die Leute in der Gruppe mit sich selbst weiterkommen, ist, dass sie kontinuierlich an den Sitzungen teilnehmen und nicht weggehen, wenn sie ein Thema nicht persönlich betrifft, wenn es unangenehm wird oder ›wehtut‹. Hier gibt es keinen ›Psycho‹ oder eine andere Autorität, die einen bestimmten Druck ausübt; die Motivation muss vor allem von den Betroffenen selbst kommen; die Irrenoffensivleute können und wollen niemanden zwingen, sich zu öffnen bzw. sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Von daher liegen hier die Möglichkeiten und Grenzen bei den einzelnen, wie wichtig für sie die Suche nach den Ursachen für ihr Verrücktwerden ist, welchen Druck sie selbst spüren und wieweit sie fähig sind, in einer Gruppe zu arbeiten. Ein Vertrauensverhältnis gerade zu einer ganzen Gruppe aufzubauen, ist viel schwieriger, als zu einzelnen Therapeuten; ersteres kann sich nur langsam entwickeln und verlangt Ausdauer und Durchhaltevermögen.

Es sind auch Leute in der Irren-Offensive, die sich in anderen nicht wiederfinden können, die keine finden, die auf eine ähnliche Art ›ausgerastet‹ sind; sie haben es besonders schwer. Die Betroffenen wurden in den Irrenanstalten daran gehindert, ihren ›Wahn‹ auszuleben; von daher sind die Probleme nicht überwunden, sie können irgendwann erneut aufbrechen. Was in der Irren-Offensive vollkommen fehlt, ist ein Schutzraum, wo sich Menschen für längere Zeit fallenlassen, die Realitätsanpassung boykottieren können, wo es möglich ist, dass jemand auf Äußerungsformen früherer Entwicklungsstufen zurückgeht – in der Form, wie es zum Beispiel David Cooper und Ronald D. Laing in Kingsley Hall und Villa 21 ihren ›Patientinnen‹ und ›Patienten‹ ermöglichten.

Im Verhältnis zum Ausleben der unterdrückten Bedürfnisse ist das Erkennen der Ursachen für das Verrücktwerden noch relativ einfach. Manfred erzählt im Interview, dass er versucht, so zu leben, wie er gerne möchte, dass er damit aber auch seine Schwierigkeiten hat. In einer Gesellschaft von Konsumterror, Konkurrenzdenken, Umweltzerstörung usw. ist es fast unmöglich zu leben, wie man als Mann, Frau oder Kind fühlt und wahrnimmt. Und weil Aggressionen in normalen Verhältnissen, an den Orten ihrer Entstehung, meist nicht ausgetragen und ausgelebt werden können, werden die übrigen Gruppenmitglieder der Irren-Offensive mit Konflikten konfrontiert, die sie nicht verschuldet oder verursacht haben, die Leute von außen in die Gruppe tragen. Die Gefahr, dass wir uns selbst zerstören, wenn die Konflikte und Probleme zu massiv werden, ist gegeben.

Autonomie und persönliche Entfaltung

Die Grenzen der freien Entwicklung der Persönlichkeit liegen einmal innerhalb der Gruppe, zum anderen in der Umwelt, die es nicht zulässt, dass die Menschen sich entfalten können.

Innerhalb der Gruppe gibt es nach Meinung der Interviewten einige Menschen, die ständig versuchen, jemanden zu finden, der oder die für sie die Verantwortung übernimmt, und andere, die sich nicht wie Betroffene, sondern wie Therapeuten verhalten, also behandeln, eine Helferrolle einnehmen möchten, anstatt mit einer Veränderung zum Positiven bei sich selbst anzufangen. Die Aussagen zeigen auch, dass in der Irrenoffensivleute dabei sind, die andere mit ihren Problemen gleichsam vergewaltigen:

... die in ihren eigenen Problemen so tief drinstecken, dass sie sich um andere gar nicht kümmern, die nicht wahrnehmen, nicht auf andere eingehen können. Dadurch, dass sie ihre eigenen ›Kisten‹ permanent abladen, unterdrücken sie die anderen: indem sie andere einfach nicht zu Wort kommen lassen, ständig unterbrechen und abschweifen. (Peter)

Im Moment ist in der Irren-Offensive das Sich-Wehren gegen solche Leute auf das individuelle Können begrenzt. Viele meinen im Interview, dass sie damit noch nicht umgehen können, dass sie dann abblocken, sich zurückziehen, auch weggehen und sich woanders ›ausweinen‹ oder sich darauf verlassen, dass andere Widerstand leisten. Aber gerade hier ist die Grenze: Es fehlt noch die entscheidende Gruppensensibilität, dass sich die Gruppe gemeinsam gegen solche Leute wehrt, den ›Opfern‹ solange Unterstützung gibt, bis sie lernen, sich selbst durchzusetzen und Widerstand zu leisten.

Der Freiraum, den die Irren-Offensive bisher nur für einige Stunden in der Woche schafft, ist begrenzt. Die Woche über sind die Gruppenmitglieder genauso wie alle anderen Menschen gezwungen, sich in einer Gesellschaft zu bewegen, die nicht auf Kooperation von Gleichberechtigten, sondern auf Hierarchie, Buckeln und Treten begründet ist. Das, was die Irren-Offensive bisher zur Entwicklung der eigenen Individualität beiträgt, ist zu wenig; das wöchentliche Treffen reicht nicht aus, es muss noch mehr dazukommen.

Kritische Auseinandersetzung mit den ›Experten‹ und ›Expertinnen‹

Leute, die auf ihre Therapien ›stehen‹, haben es nicht nötig, sich auf die Gruppe einzulassen, da sie ja die wesentlichen Probleme ganz woanders besprechen wollen – in der Therapiestunde. Die Expertengläubigkeit ist auch in der Irren-Offensive noch nicht ganz ausgerottet; es sind Betroffene dabei, die sich nicht vorstellen können, dass die Verrückten selbst die Arbeit von ›Fachleuten‹ – sogar noch besser – machen können.

Ein Hindernis für die kritische Auseinandersetzung mit Profis bilden diejenigen, die auf Professionelle angewiesen sind, weil sie so unselbständig, verkindlicht, kaputt gemacht wurden, dass sie sehr starke Unterstützung benötigen. Das sind auch die Menschen, die auf andere nicht eingehen können, deren Probleme so massiv sind, dass sie andere damit erdrücken. Es gibt aber für Betroffene, deren Bedürfnisse die Irren-Offensive nicht erfüllen kann, keine Alternative zum Psychomarkt; jemand, der bzw. die Hilfe dringend benötigt, muss einfach beim ›Psycho‹ landen. Es existieren keinerlei Einrichtungen, in denen Betroffene und Professionelle gleichberechtigt zusammenarbeiten können, geschweige denn Einrichtungen, wo Betroffene entscheiden könnten, mit welchen Professionellen sie zu tun haben möchten.

Eine andere Grenze für die kritische Auseinandersetzung mit Professionellen besteht darin, dass sich die meisten Betroffenen noch nicht genügend oder überhaupt nicht mit deren Theorien beschäftigt haben. Aber gerade ein entsprechendes theoretisches Wissen ist notwendig, um Leuten, die sich Experten nennen, den Wind aus den Segeln nehmen zu können, um zu verhindern, dass sie mit schönen Worten ihre Opfer einwickeln, hinter's Licht führen können.

Bei dem Verhältnis zwischen Betroffenen und Professionellen ist es wie beim Märchen vom Wettlauf zwischen Hase und Igel: Der Igel (Profi) ist immer schon da! Entdecken Betroffene manchmal doch noch einen kleinen Freiraum – zum Beispiel gab es in der AL früher keinen Programmteil Psychiatrie –, dann ziehen die Professionellen schnell nach, um den Betroffenen ja nicht die Möglichkeit zu geben, einmal ungehindert ihre Meinung vertreten zu können, da die ›Experten‹ sich ja sonst überflüssig fühlen müssten. Es ist für Betroffene überhaupt das Problem, dass Professionelle zu dem, was sie tun, meist nicht stehen, dass sie vortäuschen, verleugnen, dass sie oft sogar schon die gleiche Sprache benutzen. Sie beteuern, dass sie auf der Seite der Betroffenen stehen, sagen aber nicht, was sie in Wirklichkeit praktizieren und planen, sei es aus Berechnung, Dummheit oder Unfähigkeit, es ändert nichts an der Tatsache.

Abbau jeglicher Machtverhältnisse

Auf dem wöchentlichen Plenum der Irren-Offensive müssen viele aktuelle Probleme besprochen, muss vor allem viel Organisatorisches erledigt werden, was zum Teil den Interessen einzelner Mitglieder überhaupt nicht gerecht wird, so dass deren Bedürfnisbefriedigung in einem Wust von Aktionen untergeht.

Die Grenze für ein gleichberechtigtes Miteinander zeigt sich besonders bei Hauruckaktionen, bei Akutproblemen, wenn schnell etwas (zum Beispiel Öffentlichkeitsarbeit) gemacht werden muss. Dann engagieren sich wieder dieselben, die das schon können, ›ziehen es durch‹; die übrigen haben nicht die Chance, sich aktiv zu beteiligen und somit auch keine Lernmöglichkeit. Leider sind die Verhältnisse selten so, dass wir in Ruhe etwas erarbeiten könnten – eine positive Ausnahme war der Entwurf zum »Antipsychiatrie-Programm«, weil wir genügend Zeit zum ruhigen, lockeren Gespräch hatten.

Es ist sehr schwierig, die Balance zwischen dem politischen Kampf und der Arbeit an sich selbst zu halten. Die Gefahr, sich in äußere Aktivitäten, in Unterstützung für andere zu flüchten, um persönliche Konflikte oder Lebensprobleme zu verdrängen, ist gegeben und muss problematisiert werden. Es kann auch passieren, dass die Anforderungen und Zwänge von außen so stark werden, dass für die Bearbeitung eigener Konflikte kein Raum mehr da ist. Diese Gefahr muss allen bewusst werden und ist nur zu überwinden, wenn sie ständig im Auge behalten wird, sowohl durch Selbstreflexion und durch Unterstützung von seiten anderer Mitglieder als auch von anderen politischen Gruppen.

Autonomie in einer fremdbestimmten Gesellschaft bleibt Utopie, der Widerstand gegen die gesellschaftliche Fremdkontrolle ist begrenzt. Momentan sind wir kaum Repressionen ausgesetzt, da wir bis jetzt nach außen nicht sehr aktiv waren. Allerdings wurde nach dem Verteilen von Flugblättern in einigen Anstalten den dort Einsitzenden von den Psychiatern sofort untersagt, die Irren-Offensive zu besuchen. In der Psychiatrischen Anstalt der Freien Universität, wo zwei Mitglieder der Irren-Offensive Flugblätter verteilt hatten, wurden den Insassinnen und Insassen diese Blätter sofort von den Psychiatern und Wärtern wieder abgenommen. Mit der Begründung, die Irren-Offensive wolle ja nur ›den Ast absägen, auf dem die Psychiatrie sitze‹, wurden die beiden Flugblattverteiler unter Anwendung von (sanfter) körperlicher Gewalt aus der Station herausgedrängt.

Auch im Widerstand gegen Fremddiskriminierung und Verobjektivierung zeichnen sich überall Grenzen ab: Wir haben keinerlei Einflussmöglichkeiten, wenn wir nicht damit einverstanden sind, dass wir zum Beispiel auf die »Behindertenliste« gesetzt werden. Es bleibt bei unseren Protestschreiben, mehr geschieht nicht. Ähnlich verhält es sich zum Beispiel mit Reporterinnen. Wir können uns kaum gegen Diffamierungen und Diskriminierungen wehren – diese ständigen Aktionen sind sehr aufwendig, kräfteraubend, frustrierend. Die Irren-Offensive hat noch keine Macht und somit auch keine Sanktionsmöglichkeiten.

Anmerkung

(1) Gruppe mit dem Ziel, den gleichnamigen Neubau auf dem Gelände der Karl-Bonhoeffer-›Nervenklinik‹ zu verhindern Pfeil

Bearbeitet von Peter Lehmann

Quellen

  • »Anti-Psychiatrie – Zur Achtung und Wahrung unserer Persönlichkeiten«, in: Alternative Liste für Demokratie und Umweltschutz: "Wahlprogramm zu den Neuwahlen am 10. Mai 1981", Westberlin: Selbstverlag 1981

  • Lehmann, Peter: Der Kampf um Einblick in meine »Kranken«-Akte, in: Die Irren-Offensive – Zeitschrift von Ver-rückten gegen Psychiatrie (Berlin), Heft 1: Mit uns nicht mehr! (1981), S. 36-37

  • Stöckle, Tina: »Die Bedeutung der Selbsthilfegruppen im psychosozialen (psychiatrischen) Bereich, aufgezeigt am Beispiel der Irren-Offensive«, Diplomarbeit an der Technischen Universität Berlin, Fachbereich 22 – Erziehungswissenschaften, vorgelegt im April 1982 (Erstgutachter: Hellmut Lessing; Zweitgutachter: Manfred Liebel)

Über die Autorin

Geboren 1948 in Günzburg/Bayern, Hauptschullehrerin, mehrmals in Psychiatrischen Anstalten interniert. Zweitstudium Sozialpädagogik an der Technischen Universität Berlin. Stieß im Herbst 1980 auf die Irren-Offensive Berlin. Ab 1982 Mitarbeit im Projekt Weglaufhaus. Leistete ab 1983 wesentlichen Anteil am Aufbau des (mit Landesmitteln finanzierten) Treffpunkts der Irren-Offensive und an seinem Betrieb. 1989 Gründungsmitglied des Vereins zum Schutz vor psychiatrischer Gewalt e.V. Tina Stöckle starb im April 1992. Buchveröffentlichung: »Die Irren-Offensive. Erfahrungen einer Selbsthilfe-Organisation von Psychiarieopfern«, Frankfurt am Main: Extrabuch-Verlag 1983 (PDF E-Book 2022). Mehr zu Tina Stöckle


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