Der Beitrag wurde für Kerbe, 10. Jg.
(2002), Nr. 4, S. 19 - 21 geschrieben und ist hier geringfügig
gekürzt wiedergegeben.
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Partizipation!
Werden Psychiatrie-Erfahrene als Experten in eigener
Sache akzeptiert?
von
Ursula Zingler
Partizipation heißt nach Duden: Teilnahme, Teilhaben. Vom Gesetzgeber
ist längst unsere Beteiligung, die Beteiligung psychiatriebetroffener
Menschen an der politischen Willensbildung vorgesehen. Wir haben
das Recht, in gesundheitspolitisch tätigen Gremien mitzuarbeiten,
mitzubestimmen. Grundbedingung ist, Mitglied eines Zusammenschlusses
Gleichgesinnter zu sein. Und so haben wir 1991 in Stuttgart die
Initiative Psychiatrie-Erfahrener (IPE) gegründet, 1992 den Bundesverband
Psychiatrie-Erfahrener (BPE e.V.) und 1993 die Landesarbeitsgemeinschaft
Psychiatrie-Erfahrener Baden-Württemberg (LAG PE BW). Auf allen
Ebenen sind wir Mitglieder entsprechender Gremien. Wir nehmen teil,
beziehen Stellung. Teilnahme an der politischen Willensbildung ist
jedoch nur eine Seite der Medaille, Teilhabe die andere. Zur Partizipation
gehört auch, dass wir und unsere Beiträge ernst genommen und umgesetzt
werden. Lassen Sie uns nachschauen, ob die Teilhabe der Psychiatrie-Erfahrenen
an der politischen Meinungsbildung erwünscht bzw. gewährleistet
ist.
Was wollen wir erreichen?
Es ist bekannt, dass dem BPE e.V. die Förderung
von Eigenverantwortung und Selbsthilfe sehr am Herzen liegt. Die
Psychiatrie soll reformiert und alternative Angebote geschaffen
werden. Statt des Griffes zum Rezeptblock hat das ärztliche und/oder
psychotherapeutische Gespräch im Vordergrund zu stehen. Nur so werden
viel mehr Personen als heute eigenverantwortlich ihr Schicksal in
die Hände nehmen können, alternative Wege suchen oder/und den sensiblen
Umgang mit Psychopharmaka erlernen. Nur so haben sie eine Chance,
sich .... aus dem System Psychiatrie auf Dauer auch wieder zu lösen.
Es ist erfreulich, dass wir mit der Forderung
nach Reformierung der und Schaffung von Alternativen zur Psychiatrie
nicht allein da stehen.1995, 1. gemeinsame Tagung des Dachverbandes
Psychosozialer Hilfsvereinigungen, des BPE e.V., des Bundesverbandes
der Angehörigen psychisch Kranker (BApK) und der Deutschen Gesellschaft
für Soziale Psychiatrie (DGSP) in Wittenberg, wurden die gemeinsam
formulierten Forderungen unter dem Titel „Wittenberger Thesen“ zusammengefasst.
Ein kurzer Ausschnitt:
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Die Würde des Menschen ist unantastbar. Wer gekränkt
wird, wird krank. Damit Gesundung beginnen kann, muss Kränkung
aufhören...Schluss mit der Ignoranz der Psychiatrie gegenüber
den persönlichen Erfahrungen und Bedürfnissen von Patienten...
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Die erste Begegnung prägt. Notwendig ist Respekt
gegenüber den ganz persönlichen Wünschen von Nähe und Abstand,
Gemeinschaft und Rückzug...Die Psychiatrie-Tätigen sind es,
die Krankheitseinsicht und „Compliance“ erst lernen und entwickeln
müssen...
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Geborgenheit tut not, anstelle des Gefühls, ausgeliefert
zu sein. Raum für verwirrte Gefühle und wechselnde Bedürfnisse...
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Die eigene Verantwortung muss bleiben und gestärkt
werden...
-
Jede Diagnose stigmatisiert ... Zu erfassen ist
keine Diagnose, sondern ein Konflikt, eine problemhafte Entwicklung,
ein Spannungsfeld... Weg mit dem Etikett unheilbar...
-
In einer schweren seelischen Krise ist die übliche
Akutstation ...der denkbar schlechteste Ort. Notwendig sind
ambulante mobile Krisendienste...
- Der übliche Wechsel von Beziehungen auf Akutstationen und längeren
Krankheitsverläufen ist ... krankmachend ..
Umgesetzt sind
die 11 Thesen in den herkömmlichen psychiatrischen Einrichtungen
bis heute nicht. So werden weiterhin chronisch psychisch kranke
Menschen „produziert“. Wem nutzt das? Den Patienten? Der Allgemeinheit?
Den Kostenträgern? Oder eher der Helfergruppe, da ihnen auf diese
Weise die Klienten bzw. Patienten erhalten bleiben? Keine Sorge.
Die Arbeit am bzw. mit dem Klienten/Patienten wird nicht ausgehen.
Es gibt bis heute keine Möglichkeit, „Ausraster“ von Menschen
zu vermeiden. Und selbst bei Umsetzung der Wittenberger Thesen in
die Praxis, werden viele psychisch erkrankte Menschen weiterhin
Hilfe und Unterstützung benötigen. Ziel eines jeden sollte sein,
den Klienten/Patienten möglichst bald in ein selbstbestimmtes Leben
wieder zu entlassen. Darin sind sich die Vertreter der unterschiedlichsten
am System beteiligten Gruppen alle einig, auch die Ärzteschaft.
Warum aber
werden dann die Wittenberger Thesen nicht umgesetzt?
Ich kann nur
spekulieren:
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Ist es die Angst, die eigene wirtschaftliche Basis zu gefährden?
Hier ist die Politik gefragt. Ellis Huber empfiehlt: „Ein entsprechendes
Honorierungsystem sollte fördern, daß Ärzte ihre Patienten in
die Selbständigkeit und Selbstheilung ´abgeben`, statt sie an
sich ... und ihre Betreuung und Beratung an Krankenscheine zu
binden“. Gleiches, so unsere Meinung, sollte für die gesamte
Helfergruppe gelten.
-
Fällt es schwer, Verantwortung abzugeben, zumal an Kranke?
In "Blätter der Wohlfahrtspflege 10/1986" las ich: Gleich den
Bürgerhelfern und Angehörigen fällt es dem professionellen Personal
schwer, Verantwortung abzugeben, zumal an Kranke. Ist das auch
der Grund, warum vor allem die Ärzteschaft dem
psychisch erkrankten Menschen kaum Hilfe zur Selbsthilfe anbietet?
-
Oder gibt es noch andere Motive? Ellis Huber meint: „Leider
– oder Gott-sei-Dank? - unterscheiden sich Ärzte kaum von anderen
Menschen in unserer Leistungsgesellschaft. Sie sind oft auch
ich-schwache Individuen, und jede Art von Veränderungen macht
ihnen Angst. Daran liegt es, daß sie dringend notwendige Änderungen
im Gesundheitswesen nicht aktiv vorantreiben. ... Steigende
Kosten, geänderte politische Ziele könnten schnell dazu führen,
daß die Politik den Ärzten eine neue Rolle zuweist... Auch die
Patienten könnten mit neuen Forderungen an die Ärzte herantreten,
was kaum anzunehmen ist“. Nun mit letzterem irrte sich der ehemalige
Präsident der Berliner Ärztekammer/ der Arzt Dr. Ellis Huber.
BPE e.V. und die Ärzteschaft
1997 bezog
der BPE-Vorstand Stellung zum Denkschrift-Entwurf
„Zur künftigen psychiatrisch-psychotherapeutisch-psychosomatischen
Versorgung in Deutschland“ der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie,
Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) von 9/1996: „Wir meinen,
nicht nur `Vor dem Hintergrund zunehmender finanzieller Restriktionen
im Gesundheitswesen', sondern schon allein aus ethischen Gründen
muß immer wieder über neue Wege nachgedacht und müssen diese umgesetzt
werden. Deshalb ist es angebracht, verbindliche Leitlinien zur Behandlung
der unter seelisch bedingten Symptomen leidenden Menschen mit uns
zusammen zu erarbeiten." Die Wittenberger Thesen waren Teil des
BPE-Briefes. Erst nach vier (!!!) Jahren lud der damalige Empfänger
des Briefes, Prof. W. Gaebel, den BPE-Vorstand
mit folgenden Worten zum Gespräch ein: „Uns liegt daran, dass künftig
Betroffene verstärkt in diesen Wissenstransfer eingebunden werden,
so dass es möglich wird, professionelle Kenntnisse um spezifisches
Expertenwissen der Betroffenen zu erweitern und damit neue Chancen
im Umgang mit der Erkrankung zu eröffnen“ (Brief des Kompetenznetzes
Schizophrenie vom 16.7.2001). Es ist schade, dass das Kompetenznetz
Schizophrenie (KNT) sich auf unsere Bedingungen nicht einließ. Mehr
als ein Sitz im erweiterten Vorstand des KNT wurde uns nicht angeboten.
Beratung einmal pro Jahr!!! Zu wenig könnten wir, die Experten in
eigener Sache, versuchen, Einfluss auf Öffentlichkeitsarbeit und
Forschung zu nehmen, die so gar nicht in unserem Sinne erfolgen.
Aus der Partizipation ist nichts geworden.
Keine Hoffnung, dass ein segensreicher Dialog
mit der Ärzteschaft in Gang kommt? Oder doch? „Frau Zingler haben
Sie mit uns Geduld“, so Prof. Dr. Heinrich Kunze Ende 2000, „wir
müssen uns erst daran gewöhnen, die Psychiatrie-Erfahrenen in die
Meinungsbildung einzubeziehen.“ Der BPE feiert im Oktober sein 10-jähriges
Bestehen!!! Seine Mitglieder hoffen, dass
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die Gewöhnung nicht weitere 10 Jahre dauert
-
nicht jede von uns geäußerte Kritik als „diskreditierende Bemerkung“
gerügt, bei deren Wiederholung man sich gar entsprechende Schritte
gegen Psychiatrie-Erfahrene vorbehält
-
die Politiker unsere Hinweise aufnehmen und sich nicht gar
zu sehr von der Ärzteschaft beeinflussen lassen.
Wir müssen schon
genug wegstecken, wenn man uns z.B. als Referenten zu hochkarätigen
Tagungen einlädt und dann der Moderator den Profis auf unsere Kosten
mehr Raum lässt als vom Veranstalter vorgesehen („25 Jahre Psychiatrie-Enquete“,
Nov. 2000, Bonn - Bad Godesberg). Was wir brauchen, sind
Menschen, die uns ermuntern, bei der Stange zu bleiben, wenn wir
müde werden, da es viel zu langsam voran geht. Wir brauchen Wohlgesinnte,
die uns helfen, die Brocken, die uns in den Weg gelegt werden, wegzuräumen.
Ein Anfang ist
gemacht. Seit dem Mai diesen Jahres sind auf Einladung des Bundesministeriums
für Gesundheit (BMG) BPE-Vorstandsmitglieder im „Arbeitskreis für
die Weiterentwicklung der psychiatrischen Versorgung“ vertreten.
In den vier Arbeitsgruppen Redaktion, Rehabilitation, Qualität und
Integrierte Versorgung vertritt je ein BPE-Vorstandsmitglied die
Interessen der Psychiatrie-Erfahrenen. Haben
wir eine Chance, uns mit unseren Ansprüchen durchzusetzen? Reaktion
eines Arztes: "Wir haben so schön zusammen gearbeitet. Das lassen
wir uns doch von neu Hinzugekommenen nicht kaputt machen“. Ist es
zu viel verlangt, zu akzeptieren, dass unsere Schwerpunkte andere
sind? Lange genug wurden wir aus derlei Gremien ausgeschlossen.
Gibt es eine vergleichbare Gruppe - außer den Kindern, den geistig
behinderten und alten Menschen - die ebenso lange bevormundet wurde
wie die Gruppe der Psychiatrie-Erfahrenen?
Schaffung
weiterer Bausteine
Nun, die Reformierung
der Psychiatrie ist eine Sache. Die andere ist die Ergänzung des
Angebotes. Hier sind andere Gruppen eher bereit, mit uns zusammen
zu arbeiten. Beispiele: Beschwerdestelle,
Patientenfürsprecher und Krisen- und Notfalldienst.
Die Rechte der
Patienten - so unsere Überzeugung – kennen alle, auch viele Psychiatrie-Patienten.
Fordern letztere ihre Rechte ein, wird ihnen leider immer noch mit
Zwangseinweisung, Zwangsbehandlung, Fixierung, Bestellung eines
Betreuers gedroht. Die Patienten fühlen sich ausgeliefert und sind
hilflos, wenn es außerhalb der Institution keine Personen gibt,
die sie unterstützen. Seit 1983 nutzte ich meine Stimme in der PSAG
und machte mich über die Jahre für das Thema "Ombudsmann" stark.
Angehörige, ein Amtsrichter, Bürgerhelfer, ein Gemeinderatsmitglied,
ein Oberarzt einer stationären Einrichtung,
Psychiatrie-Erfahrene, ambulant
und stationär Tätigen bereiteten gemeinsam die Gründung der Beschwerdestelle
(htpp://beschwerdestelle.ipe-s.de) vor. Bevor sie mit der Arbeit
anfing wurde viel über Sinn und Zweck eines solchen zusätzlichen
Bausteins diskutiert. Vor allem der beteiligte Arzt war sehr schwer
von der Notwendigkeit dieses neuen Bausteins zu überzeugen. Sinnlos
war die Debatte in diesem Kreis bestimmt nicht, sie baute viele
Vorurteile, aber auch Missverständnisse ab. Jede an der Diskussion
beteiligte Gruppe hat - so zeigte es sich - ihre spezifische Empfindlichkeit,
aber auch Kompetenz. Bis auf den Arzt und das Gemeinderatsmitglied
gehen Mitglieder der genannten Gruppen bis heute gemeinsam Missstände
an. So mancher „Fall“ wurde zur Zufriedenheit der Patienten gelöst.
Dies nutzt den Patienten und entlastet des öfteren die Krankenkassen.
Zum Beispiel dann, wenn die Medikation patientengerecht umgestellt
oder eine Entlassung früher als von der Klinik vorgesehen erreicht
wird. Die Zahlung von mindestens 180 Euro pro Tag an die Krankenhäuser
werden bei einer vorzeitigen Entlassung den Kassen erspart. Die
Beschwerden betreffen hauptsächlich gesetzliche Betreuungen, freiheitsentziehende
Maßnahmen, Behandlung/den Umgang mit den Patienten im ambulanten
und stationären Bereich, Diagnosestellung und
Medikation. Jüngstes Beispiel: Behandlung mit Haldol trotz
Hinweises des Patienten, dass er dies nicht verträgt (Spätdyskenesie).
Es ist mir unverständlich, warum die Krankenkassen so wenig Interesse
an unserer Arbeit zeigen.
Neben anderen
bat eine Psychiatrie-Erfahrene Frau Ministerin Solinger, das Thema
„Patientenfürsprecher“ aufzugreifen. Mitglieder der AG des Landesarbeitskreises:
Angehörige, Bürgerhelfer, ein Mitglied eines Wohlfahrtsverbandes
und Psychiatrie-Erfahrene. Die von der Beschwerdestelle Stuttgart
gesammelten Erfahrungen flossen in die Arbeitsgrundlage ein. Wir
hatten Teil an der Erarbeitung und wurden ernst genommen. So konnten
wir durchsetzen, dass Psychiatrie-Erfahrene diese Position einnehmen
und im Beirat vertreten sein können. Auch hier wurde Partizipation
groß geschrieben.
Auf die Berufung der Patientenfürsprecher durch die örtlichen Gremien
können wir leider kaum Einfluss nehmen. Wir sind stimmenmäßig unterrepräsentiert.
Und so gibt es Fehlbesetzungen. Viele Klagen werden laut. Patientenfürsprecher
beschwichtigten die Patienten, würden sie nicht ernst nehmen, gingen
den Beschwerden nicht nach und scheuten die Auseinandersetzung mit
den Ärzten/dem Pflegepersonal. Sie werden ihrer Rolle als Patientenpartei
nicht gerecht. Es sind keine Einzelfälle.
These 8 der Wittenberger Thesen lautet. „In einer
schweren seelischen Krise ist die übliche Akutstation ...der denkbar
schlechteste Ort. Notwendig sind ambulante mobile Krisendienste...“
In Stuttgart habe ich zusammen mit Angehörigen und Mitarbeitern
der Evangelischen Gesellschaft 1985 den ambulanten sozialpsychiatrischen,
psychosozialen Krisen- und Notfalldienst am Wochenende mit aufgebaut
und viele Nachtschichten geschoben. Ziele sind u.a. durch Gespräche
und Aufnahme in Notbetten seelische Notlagen zu entschärfen, Kurzschlussreaktionen
zu verhindern oder die Einlieferung in die psychiatrische Klinik
zu umgehen. Die Atmosphäre in den Gremien war sehr angenehm.
In der AG des
Landesarbeitskreises Psychiatrie (LAK) "Psychiatrische Krisen- und
Notfallversorgung" waren wir auch vertreten. Die IPE (Stuttgart)
und die LAG PE BW haben Stellungnahmen erarbeitet. Aufgrund des
ungleichen Kräfteverhältnisses in der Arbeitsgruppe und im LAK gelang
es uns 1995 leider nicht, unsere Ansprüche an derartige Dienste
im Papier unterzubringen. Da die AG von der Kassenärztlichen Vereinigung
Südbaden moderiert wurde, dominierte die Ärzteschaft die Gruppe.
Es waren vor allem die Vertreter der Ärzteschaft, die nicht bereit
waren, unsere Anregungen aufzugreifen. Den Beschluss des LAK, das
Papier als Arbeitsgrundlage in die örtlichen Gremien zu geben, trugen
die Vertreter der LAG PE BW deshalb als einzige nicht mit.
Die LAG PE BW begründete das u.a. wie folgt:
-
„Ein Dienst..., bei dem die 'Betreuung' durch den Arzt im Vordergrund
steht und die telefonische Beratung durch den Psychotherapeuten
und Psychologen nur eine sekundäre Rolle spielen soll (...),
geht an unseren Bedürfnissen vorbei.
-
Wir benötigen zudem in erster Linie einen 'Patienten-Kommdienst'
und erst nachrangig einen 'Patienten-Bringdienst' (...). Der
möglichst eigenverantwortliche Umgang auch mit kritischen Zuständen
ist uns ein Hauptanliegen. Die freie Wahl des Gesprächspartners
im Krisenteam eines niedrigschwelligen Dienstes dafür Voraussetzung.
-
Erstrebenswert wäre die Schaffung von Kriseninterventionszentren...
-
Der in eine Krise geratene Mensch, der das '...zentrum' aufsucht,
muß sicher sein, daß er nicht ohne weiteres gegen seinen Willen
... eingewiesen wird...“
Wunschgemäß wurde
unsere Stellungnahme den örtlichen Psychiatrie-Arbeitskreisen mit
der Empfehlung des Sozialministeriums, tätig zu werden, zugeleitet.
In Stuttgart zumindest sind unsere Anregungen teilweise in der Zwischenzeit
umgesetzt worden. Darüber freuen wir uns natürlich sehr.
Und so bitte
ich Sie zum Schluss: Lassen Sie uns gemeinsam am System Psychiatrie
arbeiten. Betrachten Sie uns, die sich zu Wort meldenden Psychiatrie-Erfahrenen,
nicht als Unmündige, nicht als Konkurrenz, nicht als Gegner. Nur,
wenn alle gemeinsam sich für eine Reformierung der Psychiatrie einsetzen,
bekommt der psychisch erkrankte Mensch Hilfe zur dauerhaften Stabilisierung.
Das wäre zum Wohle der(s) Einzelnen und der Gesellschaft. Für die
von sog. psychiatrischen Krankheiten betroffenen Menschen wird das
Leben lebenswerter. Die Kostenträger werden aufatmen, das der finanzielle
Aufwand sich reduziert.
Literatur: Ellis Huber: Liebe statt Valium, Plädoyer für ein anderes
Gesundheitswesen, Argon, 1993 |