Homepage des Antipsychiatrieverlags
Zuletzt am 19.12.2015 aktualisierter Artikel; original veröffentlicht
in:
Kerstin
Kempker / Peter Lehmann (Hg.): Statt Psychiatrie, Berlin: Peter
Lehmann Antipsychiatrieverlag 1993, S. 183-194
Edmund Schönenberger
Zwangspsychiatrie in der Schweiz was tun?
So wie man z.B. in der ehemaligen Sowjetunion Menschen in Psychiatrische
Anstalten sperrte und dort zwangsweise mit heimtückischer
Chemie (Medikamenten) behandelte, konnte und kann
man in der Schweiz in eine Anstalt versenkt und zwangsweise mit
chemischen Präparaten behandelt werden. Die Zuständigen
sprechen von Fürsorge, die Betroffenen von Freiheitsberaubung
und Folter.
Es ist nutzlos, die Argumente von Befürwortern und Gegnern
der Zwangspsychiatrie unter einen Hut bringen zu wollen: Die Gegensätze
sind unüberbrückbar. Die Befürworter sind daran
interessiert, dass alle Menschen funktionieren, sich ins Räderwerk
der heutigen Industrie- und Konsumgesellschaft fügen. Diejenigen,
welche dies aus irgendwelchen Gründen nicht schaffen, die
gegen die herrschende Ordnung rebellieren, ein schlechtes Beispiel
für die Funktionierenden abgeben oder ganz einfach das eigene
Leben führen wollen, die werden, wenn sie nicht über
eine gehörige Dosis Widerstandskraft verfügen, ohne
langes Federlesen in die Anstalt spediert.
Bis 1981 waren die Einschliessungen absolut menschenrechtswidrig.
Damals haben die Zuständigen, um den Anschein von Rechtsstaatlichkeit
zu erwecken, die Bestimmungen über den »fürsorgerischen«
Freiheitsentzug ins Zivilgesetzbuch (Art. 397a ff. ZGB; siehe
Anhang am Ende dieses Textes) aufgenommen. Es hat allerdings keinen
Zweck, auf dieses Gesetz zu bauen. Schon der erste dort die Zwangseinweisung
absegnende Grund, die Geisteskrankheit, stellt der
Zwangspsychiatrie einen absoluten Freibrief aus: Praktisch aus
jedem Verhalten und jeder Äusserung kann eine Geisteskrankheit
konstruiert werden. Wer sich gar erdreistet, das Gegenteil zu
behaupten, nämlich nicht geisteskrank zu sein, dem bzw. der
wird Uneinsichtigkeit attestiert. Die Uneinsichtigkeit wiederum
wird als ein wesentliches Merkmal für die diagnostizierte
Geisteskrankheit bewertet: eine teuflische Falle!
Isolierzelle, Fixierungen, Zwangsinjektionen mittels Aufgeboten
von bis zu einem Dutzend Pflegern und Pflegerinnen
und vieles andere mehr sichern die Anstaltsordnung ab. Um die
Entlassung zu erreichen, werden die Betroffenen genötigt,
gute Miene zum bösen Spiel zu machen, sich zu verstellen,
den Kranken zu mimen, zu kooperieren. Es bräuchte
in erster Linie Durchsetzungsfähigkeit, um ohne solche Kuscherei
aus der Anstalt herauszukommen. Einen starken Willen fördert
das hiesige Erziehungssystem überhaupt nicht. Gepredigt wird
zwar zu allen möglichen und unmöglichen Gelegenheiten
die Freiheit. Indessen beherrscht der Zwang zur Anpassung den
Alltag von der Wiege bis zur Bahre. In der Anstalt werden die
Aufmüpfigen mit der eingesetzten Chemie wirkungsvoll kaltgestellt.
Im Konfliktfall zwischen Anstalt und Eingeschlossenen haben diejenigen
die besten Chancen, sich zu befreien, die sich mit Personen verbünden,
welche über die erforderliche Durchsetzungsfähigkeit
verfügen. Gegen die geschlossene Phalanx von Konfliktpartnern
und -partnerinnen, Einweisungsinstanz, Anstalt und Gericht allein
auf weiter Flur Kämpfende haben einen schweren Stand.
Die folgende Darstellung der einschlägigen Bestimmungen
soll Betroffenen und ihren allfälligen Verbündeten,
Verteidigerinnen und Verteidigern die nötigen Argumente liefern,
mit welchen die Vertreter der Zwangspsychiatrie an ihre eigenen
Ansprüche genagelt werden können.
Noch in der Freiheit
Laut Europäischer Menschenrechtskonvention (EMRK) haben
Sie die Menschenrechte auf
- Freiheit (Art. 5);
- körperliche und geistige Unversehrtheit (Folterverbot;
Art. 3);
- Verbot der Zwangsarbeit (Art. 4);
- fairen Prozess
- Unschuldsvermutung (Art. 6);
- Privatleben,
- Familienleben,
- Achtung Ihrer Wohnung,
- Briefverkehr (Art. 8);
- Gedankenfreiheit,
- Gewissensfreiheit,
- Religionsfreiheit,
- freie Weltanschauung (Art. 9);
- freie Meinungsäusserung,
- Ideenfreiheit,
- Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Ideen und Nachrichten
(Art. 10);
- Versammlungsfreiheit,
- Freiheit auf Zusammenschluss (Art. 11);
- Ehe,
- Gründung einer Familie (Art. 12);
- Beschwerde wegen Menschenrechtsverletzung (Art. 13);
- Gewährung dieser Rechte und Freiheiten ohne jegliche
Benachteiligung (Diskriminierungsverbot; Art. 14).
Eine Einweisung steht unmittelbar bevor
Berufen Sie sich auf die aufgelisteten Menschenrechte. Sofern
Sie sich lediglich verbal geäussert haben, beharren Sie auf
Ihren Menschenrechten auf freie Gedanken, Ideen, Weltanschauung
und Meinungsäusserung. Erklären Sie, dass der Gebrauch
Ihrer Menschenrechte Ihnen nicht als Geisteskrankheit angekreidet
werden dürfe.
Wird Ihnen vorgeworfen, Sie hätten jemanden bedroht, eine
Sache beschädigt, jemanden tätlich angegriffen oder
dergleichen mehr, weisen Sie darauf hin, dass ein Strafverfahren
eröffnet und Ihre Unschuld bis zum gesetzlichen Nachweis
des Gegenteils vermutet werden müsse. Die Zwangspsychiatrie
sei nicht kompetent (zuständig), Strafuntersuchungen zu führen.
Einweisungsgründe (Art. 397a ZGB)
- Geisteskrankheit,
- Geistesschwäche,
- Trunksucht,
- andere Süchte (z.B. Drogensucht) oder
- schwere Verwahrlosung.
Zusätzlich zu diesen Gründen muss feststehen, dass
Ihnen die nötige persönliche Fürsorge nicht anders
als in einer Anstalt erwiesen werden kann. Haben Sie also genügend
Geld (z.B. eine Invaliditätsrente, Geld vom Fürsorgeamt),
eine Wohnung oder ein Zimmer, kleiden Sie sich so, dass Sie nicht
erfrieren, ernähren Sie sich selbst so, dass Sie nicht verhungern,
und sind Sie körperlich nicht krank, dann dürfen Sie
nicht eingewiesen werden: weil Sie selbst für sich sorgen.
Falls andere Gründe geltend gemacht werden, beispielsweise
Sie trügen dreckige Kleider oder Sie hätten eine Sauordnung
in Ihrem Zimmer: Erklären Sie, dass der Zustand Ihrer Kleider
und die Ordnung Ihre Privatsache und durch Ihre Menschenrechte
auf Privatleben und Achtung Ihrer Wohnung gedeckt seien.
Falls Sie kein Zimmer haben und Sie nicht gerade ausschauen,
als seien Sie am Erfrieren, berufen Sie sich darauf, dass es Ihnen
nicht verboten sei, sich zu jeder Tages- und Nachtzeit im Freien
aufzuhalten, und dass Sie keine Pflicht hätten, in einem
Haus zu leben. Wenn Sie sogar noch hinzufügen, jede Ihrer
Pflichten müsse in einem Gesetz ausdrücklich festgehalten
sein, in der Schweiz gebe es jedoch kein Gesetz, wonach man in
einem Haus zu leben habe, gegenteils garantiere die Verfassung
allen die Niederlassungsfreiheit, wird wohl derjenige, welcher
Sie mit seinen Gründen konfrontiert, reichlich verdutzt in
die Welt gucken und einen grossen Bogen um Sie machen!
Andere als die oben aufgezählten Gründe gibt es nicht.
In der Praxis wird noch die Selbst- und Fremdgefahr ins Feld geführt.
Diese Gründe sind jedoch untauglich. Selbsttötung, der
Versuch dazu und Selbstverstümmelung sind keine strafbaren
Handlungen, können daher auch nicht verboten oder mit einer
Einschliessung sanktioniert werden. Sind Sie für andere in
einer relevanten Weise gefährlich, so ist dies ja immer auch
ein Straftatbestand, und es muss alsbald nach den Regeln des Strafgesetzes
bzw. der Strafprozessordnung gegen Sie untersucht werden. Die
Zwangspsychiatrie darf - wie gesagt - keine Funktionen der Strafjustiz
an sich reissen.
Das Einweisungsverfahren
Die Hauptbestimmungen finden sich im Zivilgesetzbuch (Art. 397b
ff.). Die Kantone haben diese Bestimmungen ergänzt. Die Europäische
Menschenrechtskonvention und das ZGB gehen allerdings den kantonalen
Bestimmungen vor. Hier erläutere ich exemplarisch das zürcherische
Verfahren. Aber auch wer in einem anderen Kanton in eine Anstalt
gesperrt wird, soll sich auf die dargestellten Grundsätze
berufen. (Die kantonalen Bestimmungen können bei der Staatskanzlei
des jeweiligen Kantons gegen Bezahlung bestellt werden.)
Zuständig für die Einweisung sind
- die Vormundschaftsbehörde (Art. 397b ZGB) oder
- eine andere vom Kanton als geeignet bezeichnete Stelle.
Im Kanton Zürich ist jeder Arzt als für zuständig
erklärt worden.
Falls Ihr behandelnder Arzt Sie einweisen will, sagen Sie ihm
klipp und klar, er müsse nach dem Gerichtsverfassungsgesetz
(§§ 95 und 96 GVG) in den Ausstand treten und er sei überdies
ans Arztgeheimnis gebunden. Falls der Arzt der Hausarzt von jenen
Personen ist, welche Sie einweisen wollen, sagen Sie ihm ebenfalls,
er müsse als Parteivertreter in den Ausstand treten.
Kommt ein anderer Arzt, sagen Sie ihm, er sei nicht die geeignete
Einweisungsinstanz.
Die Einschliessung ist die schärfste Sanktion überhaupt.
Es müssen daher nach dem verfassungsmässigen
Grundsatz der Verhältnismässigkeit nicht nur
schwerstwiegende Gründe vorliegen, sondern diese sind auch
mit aller nur erdenklichen Sorgfalt zu untersuchen. An eine solche
Untersuchung sind höchste Anforderungen zu stellen. Wie indessen
notorisch ist, haben die Ärzte weder in theoretischer noch
praktischer Hinsicht Übung darin, wie eine solche formgerechte
Untersuchung anzustellen sei. Sind Sie in der Lage, einem Arzt
das so auseinanderzusetzen, wird er es wohl kaum mehr wagen, Hand
an Sie zu legen oder legen zu lassen.
Selbstverständlich muss auch die Vormundschaftsbehörde
formgerecht untersuchen. Dazu gehört, dass Sie angehört
werden und dass über diese Anhörung ein schriftliches
Protokoll erstellt wird. Wenn Sie alle Vorwürfe bestreiten,
welche Ihnen gegenüber erhoben werden, ist die Vormundschaftsbehörde
verpflichtet, nicht nur diejenigen, welche Ihre Einweisung verlangen,
sondern auch unbefangene Drittpersonen nach Ermahnung zur Wahrheit
und unter den üblichen Strafandrohungen in Ihrer Gegenwart
protokollarisch einzuvernehmen. Sie haben das Recht, am Schluss
der Einvernahme Ergänzungsfragen zu stellen und, nachdem
die Zeugen entlassen worden sind, zu ihren Aussagen Stellung zu
beziehen. Diese strengen Formen müssen beachtet werden, weil
die schärfste Sanktion, nämlich der Entzug Ihrer Freiheit,
zur Debatte steht.
In der Praxis kümmern sich die Einweisungsinstanzen wenig
um die strikte Einhaltung der Formen. Lassen Sie sich deswegen
nicht aus der Fassung bringen. Die Missachtung der Formen wird
Ihnen oder Ihren Verteidigerinnen und Verteidigern die Munition
liefern, um die Verantwortlichen im Laufe des Verfahrens ins Abseits
zu stellen.
Es ist nicht nur eine Vorschrift des Zivilgesetzbuches (Art.
397e Ziff. 1 ZGB), sondern Ihr Menschenrecht, dass Sie in möglichst
kurzer Frist in einer Ihnen verständlichen Sprache über
die Gründe Ihrer Festnahme und über die gegen Sie erhobenen
Beschuldigungen unterrichtet werden müssen (Art. 5 Ziff.
2 EMRK).
Anrufung I des Richters mit dem Antrag auf Entlassung innert zehn
Tagen nach Einweisung
Weiter müssen Sie schriftlich darauf aufmerksam gemacht
werden, dass Sie den Richter anrufen können (Art. 397e Ziff.
1 ZGB). Dazu haben Sie oder eine Ihnen nahestehende Person zehn
Tage Zeit (Art. 397d ZGB). Sie können aber auch sofort Schreibzeug,
Papier und ein frankiertes Kuvert verlangen. Die Adresse des Richters
finden Sie auf dem Entscheid, welcher Ihnen übergeben werden
muss. Bezähmen Sie Ihre begreifliche Wut und zerreissen Sie
ihn daher nicht. Schreiben Sie kurz und bündig folgendes:
Ich will sofort entlassen werden und ich verlange
(gestützt auf Art. 397f Abs. 2 ZGB) einen Rechtsbeistand!
Falls Sie mittellos sind, fügen Sie hinzu, dass Sie die
unentgeltliche Rechtspflege und einen unentgeltlichen Rechtsbeistand
verlangen. Eine Begründung brauchen Sie nicht zu liefern;
denn die anderen müssen darlegen und dies auch beweisen,
warum Sie angeblich in eine Anstalt gehören. Falls sie kleinlich
sind und Ihnen kein Kuvert zur Verfügung stellen wollen,
machen Sie sie auf die Vorschrift des Art. 397e Ziff. 3 ZGB aufmerksam,
wonach sie Ihre Entlassungsklage auf ihre Kosten unverzüglich
an den zuständigen Richter weiterzuleiten haben.
Klage I wegen Verletzung des Menschenrechts auf Freiheit
Wie Sie sehen, haben auch Sie und nicht nur Ihre Verfolger starke
Trümpfe in der Hand. Machen Ihre Widersacher Fehler, so wird
die Einweisung zu einer ungesetzlichen (Verletzung von Art. 5
Ziff. 1 und Art. 5 Ziff. 1 lit. e und Art. 5 Ziff. 2 EMRK). Alsbald
können Sie beim gleichen Richter, welcher die Rechtmässigkeit
Ihrer Haft prüfen muss, auf Feststellung der Menschenrechtsverletzung
klagen (Art. 13 EMRK; siehe Muster: Beispiel 1 am Ende dieses
Textes).
In der Anstalt
Sie sind nun also korrekte Untersuchung und ebensolches
Verfahren hin oder her gleichwohl in der Anstalt gelandet.
Regen Sie sich darüber nicht allzusehr auf, denn es gehört
zur Heimtücke der Zuständigen, alle Ihre Äusserungen
und Ihr gesamtes Verhalten auf ihre Art und mit ihren Worten in
der Krankengeschichte zu verewigen. Selbstverständlich
schneiden Sie dabei schlecht ab. Ihren eigenen Anteil an den unschönen
Szenen und ihre eigenen Fehler notieren sie nämlich nicht.
Es ist kein Verfahren vorgesehen, wonach Ihnen die Einträge
vorzuhalten sind und Gelegenheit einzuräumen ist, darauf
Stellung zu beziehen und Ihre Sicht der Dinge darzulegen. Ihre
absolut angemessenen Unmutsbekundungen darauf, was Sie als Freiheitsberaubung
und sofern sie Ihnen auch schon chemische Präparate
aufgenötigt oder mittels Gewalt und Injektionsnadel in Ihren
Körper gespritzt haben als Folter empfinden, werden
notiert und Ihnen als Merkmale einer angeblichen Geisteskrankheit
angelastet. Nach Tagen, Wochen, Monaten und mehreren Einweisungen
schustern sie so Fürchterliches über Sie zusammen. In
ihren Köpfen werden Sie zum Geisteskranken. Sagen Sie ihnen
cool, es handle sich um ihre Projektion! Und falls sie Ihnen diese
Bemerkung übelnehmen, berufen Sie sich auf Ihr Menschenrecht
auf freie Meinungsäusserung (Art. 10 EMRK).
Auch in der Anstalt bleiben alle Ihre oben aufgezählten
Menschenrechte mit Ausnahme von jenem auf Freiheit
theoretisch intakt. Sie können also nicht zur Arbeit gezwungen
werden (Art. 4 EMRK). Falls sie es trotzdem versuchen, machen
Sie sie auf den Widerspruch aufmerksam: Wieso sollen Sie arbeiten
können, wo Sie doch für krank erklärt sind? Und
als Kranker bzw. Kranke könne niemand zu Arbeit verpflichtet
werden. Auch in der Anstalt haben Sie ein Recht auf Privatleben
(Art. 8 EMRK). Sie können mit der Aussenwelt telefonisch
und brieflich uneingeschränkt kommunizieren (Art. 8 bis 10
EMRK), Besuche von Angehörigen und Dritten empfangen (Art.
8 und 11 EMRK), Sie können denken, was Sie wollen (Art. 9
EMRK), frei Ihre Weltanschauung, Ihre Meinung und Ihre Ideen äussern
(Art. 9 und 10 EMRK), Ihre Heirat vorbereiten (Art. 12 EMRK) usw.
Klage II bei Behörden und Gerichten wegen Verletzung
der übrigen Menschenrechte
Falls Sie das Gefühl haben, Ihre Menschenrechte würden
verletzt, schreiben Sie an irgendeine Verwaltungs- oder Gerichtsbehörde
des Kantons Zürich und verlangen Sie, gestützt auf Art.
13 EMRK, die Feststellung der Verletzung. Es macht nichts, wenn
Sie Ihre Beschwerde an die falsche Instanz adressieren, da gemäss
Verwaltungsrechts- und Gerichtsverfassungsgesetz (§ 5 VRG
und § 194 GVG) eine an die unzuständige Behörde
eingereichte Eingabe von Amtes wegen an die zuständige weitergeleitet
werden muss (siehe Muster: Beispiel 1 und 2 am Ende dieses Textes).
Stellen Sie in knappen Worten dar, was geschehen ist, dass Ihr
Menschenrecht (Art. soundso EMRK) gebrochen worden ist, und verlangen
Sie, gestützt auf Art. 13 EMRK, die Feststellung der Verletzung.
Verlangen Sie auch, dass Ihnen falls Sie über kein
Vermögen und nur über ein minimales Einkommen verfügen
ein unentgeltlicher Rechtsbeistand bestellt wird (siehe
Muster: Beispiel 1 am Ende dieses Textes). Sie haben auch das
Recht, jeden Tag eine Stunde an der frischen Luft zu spazieren.
Es ist das Problem der Anstalt, das zu organisieren.
Vergessen Sie nicht: Flucht ist ein ungeschriebenes Menschenrecht.
Flucht ist nicht strafbar!
Falls Ihnen die Flucht gelingt, telefonieren Sie der Anstalt
und fragen Sie ungeniert, ob sie Sie ausschreiben. Verzichten
sie darauf, sind Sie nach der geltenden Praxis offiziell entlassen.
Lassen sie Sie polizeilich suchen, braucht Sie dies nicht weiter
zu bekümmern. Eine Pflicht, in die Anstalt zurückzukehren
oder sich der Polizei zu stellen, besteht nicht. Sie haben das
Recht, sich zu verstecken oder ins Ausland abzuhauen.
Zwangsbehandlung
Obwohl eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage fehlt, werden
Sie in der Anstalt gezwungen, Chemie zu fressen. Weigern Sie sich,
wird Ihnen die Chemie mittels Aufgeboten von bis zu einem Dutzend
Leuten und mit Injektionsnadeln gewaltsam in Ihren Körper
gepumpt. Diese Prozedur ist zusammen mit der Zwangseinweisung
geeignet, Sie weichzukochen. Das heisst aber nicht, dass
Sie spuren müssen. Es darf als Erfahrungstatsache gelten,
dass Sie, je entschlossener Sie Widerstand leisten, um so eher
entlassen werden. Zeigen Sie keinen Widerstand, wertet man dies
als Zeichen Ihres Einverständnisses. Mit denjenigen, welche
sich nicht mehr wehren, kann die Anstalt nach ihrem Gutdünken
verfahren.
Daneben, dass Sie sich konsequent weigern, die Medis
zu schlucken, haben Sie bzw. Ihre Verteidigerin und Ihr Verteidiger
die Möglichkeit, gegen die Zwangsbehandlung Folterbeschwerde
zu erheben (siehe Beispiel 1 und 2 am Ende dieses Textes). Machen
Sie tüchtig davon Gebrauch.
Raus aus dem Irrenhaus
Was? Sie haben es noch immer nicht geschafft, Ihren Gefängniswärtern
zu entrinnen? Jetzt wird es aber höchste Zeit.
Anrufung II des Richters mit dem Antrag auf Entlassung nach
über zehntägigem Zwangsaufenthalt
Schreiben Sie, wenn sie von einem Arzt eingewiesen worden sind,
zuerst an den Direktor Ihrer Anstalt oder, falls die Vormundschaftsbehörde
sie versenkt hat, an diese und verlangen Sie Ihre sofortige Entlassung.
Eine Begründung brauchen Sie wie oben schon geschildert
nicht zu liefern. Bei der Vormundschaftsbehörde können
Sie, falls Sie mittellos sind, verlangen, dass Ihnen ein unentgeltlicher
Rechtsbeistand bestellt wird. Setzen Sie dem Direktor oder der
Vormundschaftsbehörde ultimativ eine Frist von 24 Stunden.
Gemäss Art. 397a Abs. 3 ZGB müssen die Genannten nämlich
jederzeit spruchreif sein. Zudem darf ein dem Gerichtsverfahren
vorgeschaltetes Verwaltungsverfahren das in Art. 5 Ziff. 4 EMRK
festgeschriebene Superbeschleunigungsgebot nicht beeinträchtigen.
Falls der Direktor oder die Vormundschaftsbehörde nicht innerhalb
der von Ihnen gesetzten Frist entscheidet oder Ihr Begehren abschmettert,
gelangen zu sofort bzw. spätestens innert zehn Tagen in der
schon weiter oben beschriebenen Art und Weise an den dort genannten
Richter.
Organisieren Sie gleichzeitig Ihre Verteidigung. Falls Sie niemanden
kennen, der bzw. die den Mut hat, gegen die Anstalt anzutreten,
wenden Sie sich telefonisch oder schriftlich an den Verein PSYCHEX,
Postfach 2006, 8026 Zürich (Tel. 01 241 79 69, Fax
01 818 08 71) oder an die Rechtsauskunftsstelle Anwaltskollektiv,
Kernstr. 8, 8026 Zürich (Tel. 01 241 24 33, Fax 01
241 22 88).
Sie haben das Recht, sich von jedem Mann und jeder Frau oder
auch von mehreren gemeinsam verteidigen zu lassen. Die Bevollmächtigten
haben das Recht, Ihre Entlassung und die Feststellung der Menschenrechtsverletzungen
zu verlangen, mit den Anstalten zu verhandeln, Sie vor Gericht
zu vertreten und wie übrigens Sie auch Einsicht
in sämtliche Akten (auch die Krankengeschichte)
zu nehmen. Die Ärzte sind Ihnen gegenüber auskunftspflichtig.
Auch Ihren Verteidigerinnen und Verteidigern müssen sie Red'
und Antwort stehen.
Falls die Anstalt Sie nicht entlässt, erhalten Sie vom Gericht
eine Vorladung für die Verhandlung, welche in der Regel in
der Anstalt selber stattfindet. Es wird Ihnen darin auch die Besetzung
des Gerichts mitgeteilt. Sie und Ihre Verteidigerinnen und Verteidiger
können die Akten einsehen. Verlangen Sie, dass man Sie ans
Gericht chauffiert, damit Sie die Akten persönlich sehen
können oder dass man Ihnen Kopien zustellt.
Speziell im Kanton Zürich wird der gesetzwidrigen Praxis
gefrönt, Ihnen ein Rückzugsformular unter die Nase zu
halten. Unterschreiben Sie nicht.
Kurz vor der Gerichtsverhandlung besucht Sie der vom Richter
als Experte bestellte Psychiater, welcher mit Ihnen reden will,
um abzuklären, ob Sie geisteskrank usw. seien. Sie haben
das Recht, ihn wieder wegzuschicken oder ihm gegenüber die
Aussage ganz oder teilweise zu verweigern. Wenn Ihnen eine Frage
nicht passt, sagen Sie einfach, das sei Ihre Privatsache. Die
Aussageverweigerung darf Ihnen keine Nachteile eintragen. Das
Gericht ist in einem solchen Fall verpflichtet, andere Abklärungen
über die oben genannten Einweisungsgründe vorzunehmen
(Einvernahme Ihrer Gegner, weiterer Personen, aber auch der von
Ihnen genannten Zeugen nach den Beweisvorschriften der Zivilprozessordnung).
An der Verhandlung nehmen Sie, der Richter, sein Schreiber, der
Gutachter und in der Regel ein Anstaltsarzt teil. Ganz selten
werden vom Gericht weitere Personen aufgeboten. Sie haben das
Recht, neben Ihrer Verteidigerin bzw. Ihrem Verteidiger noch zwei
Freundinnen oder Freunde, Bekannte oder Verwandte zur Verhandlung
einzuladen (was empfehlenswert ist, weil Ihre Vertrauensleute
Zeugen darüber sind, ob der Verhandlungsablauf korrekt ist).
Im übrigen ist der Prozess wie im Mittelalter
geheim.
Auch vor dem Richter haben Sie das Recht, Ihre Aussage ganz oder
teilweise zu verweigern. Sie können aber auch verlangen,
dass Sie vom Richter angehört werden, ohne dass er Sie dabei
mit seinen Fragen unterbricht. Weisen Sie ihn diesfalls darauf
hin, dass er seine Fragen stellen könne, nachdem Sie Ihre
Sache vorgetragen haben. Sie können sofern Ihnen die
freie Rede nicht liegt eine solche Erklärung schriftlich
vorbereiten. In der Regel wird zwischen Ihnen und ihm ein Gespräch
stattfinden. Alsbald erstattet der Psychiater sein Gutachten.
Das letzte Wort haben Sie bzw. Ihre Verteidigerin oder Ihr Verteidiger.
Es empfiehlt sich, in einem Nebensatz den gesamten Akteninhalt
zu bestreiten. Die Basteleien der Anstalt sind nämlich nicht
beweiskräftig, weil sie nicht nach den in der Zivilprozessordnung
festgelegten Beweisvorschriften erhoben worden sind. Neben dem
Entlassungsantrag können an der Verhandlung auch Anträge
auf Feststellung von Menschenrechtsverletzungen gestellt und begründet
werden. Die Verhandlung wird nunmehr für die geheime Beratung
unterbrochen, und anschliessend eröffnet der Richter das
Urteil in der Regel mündlich.
Berufung ans Obergericht des Kantons Zürich gegen die Verweigerung
der Entlassung
Werden die Entlassungs- und Feststellungsanträge abgewiesen,
haben Sie das Recht, sofort anschliessend mündlich beim Richter
oder innert fünf Tagen beim Obergericht des Kantons Zürich,
Postfach, 8023 Zürich, Berufung einzulegen.
Berufung ans Bundesgericht gegen die Verweigerung der Entlassung
Verwirft auch das Obergericht Ihre Berufung, schreiben Sie spätestens
innert 30 Tagen nach Erhalt der Urteilsbegründung eine Berufungsschrift,
welche Sie an das Obergericht des Kantons Zürich schicken.
Beschwerde ans Bundesgericht wegen Ablehnung des Antrags auf
Feststellung von Menschenrechtsverletzungen oder Bestellung eines
unentgeltlichen Rechtsbeistandes
Haben die kantonalen Gerichte den Sachverhalt falsch dargestellt
und sind Anträge auf Feststellung von Menschenrechtsverletzungen
oder Ihr Antrag auf Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes
abgewiesen, verfassen Sie innert der gleichen, 30-tägigen
Frist eine staatsrechtliche Beschwerde, welche Sie direkt ans
Bundesgericht, 1000 Lausanne, adressieren.
Beschwerde gegen Bundesgerichtsentscheide beim Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte
Innert sechs Monaten nach dem abschlägigen Entscheid des
Bundesgerichtes können Sie beim Europäischen Gerichtshof
für Menschenrechte, c/o Conseil de l'Europe, Boite postale
431 R6, F-67006 Strassburg Cedex, eine weitere Beschwerde wegen
Verletzung Ihrer Menschenrechte führen.
Verfallen Sie nun allerdings nicht dem schwerwiegenden Irrtum,
Sie hätten mit Ihren Beschwerden durchs Band Erfolg. Das
Gegenteil ist der Fall. Sie auf den Rechtsweg zu schicken, ist
ein geschickter Schachzug von denjenigen, welche in der Schweiz
die Macht in den Händen halten. Sie können nämlich
damit rechnen, dass Ihnen auf der Suche nach Ihrem Recht die Puste
ausgeht. Recht ist Betrug. Das soll ein bisschen erläutert
werden. Die schweizerischen Prozessordnungen wie auch jene des
Europäischen Gerichtshofes sind so beschaffen, dass juristische
Laien von einer Falle in die andere tappen müssen (vgl. als
Beispiel den oben dargestellten Rechtsweg, wonach Sie beim Bundesgericht
gewisse Rügen mit der Berufung, andere indessen mit der staatsrechtlichen
Beschwerde erheben müssen). Wäre die Schweiz nicht eine
Plutokratie (Diktatur der Reichen), sondern ein freiheitlich-demokratischer
Rechtsstaat, dürfte nur eine Prozessordnung gelten: dass
von der untersten bis zur obersten Instanz der ganze Sachverhalt
von Amtes wegen restlos abzuklären sei. Statt dessen wird
Ihre Beschwerde abgeschmettert, weil Sie sie ungenügend begründet,
die Frist verpasst oder sonst einen prozessualen Bock geschossen
hätten.
Am besten lässt sich der Betrug mit der Praxis der Konventionsorgane
in Strassburg illustrieren. Von 1000 (registrierten und nichtregistrierten)
Beschwerden haben nur gerade etwa drei eine Chance, vom Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte gutgeheissen zu werden. Diese
Fälle werden dann an die grosse Glocke gehängt, so dass
männiglich meint, die Menschenrechte seien gewährleistet.
Würden die 997 nicht behandelten oder abgewiesenen Beschwerden
mit gleichem Tamtam breitgeschlagen, so würden die Menschen
in Europa sehr schnell erkennen, wie traurig es um ihre Menschenrechte
bestellt ist.
Verbeissen Sie sich also nicht in den Rechts-weg.
Hinter dem Recht versteckt sich die knallharte Macht, tummeln
sich die handfesten Interessen.
Zwar ist es wichtig, die eigenen Rechte zu kennen; sich auf sie
zu verlassen, wäre blauäugig. Viel wichtiger ist, Phantasie,
Selbstvertrauen und Widerstandskraft zu entwickeln. Danach brauchen
Sie das Recht nicht mehr. Selbstverständlich können
Sie Ihre Fähigkeiten auch in der Auseinandersetzung mit den
Organen der Zwangspsychiatrie entfalten. Informieren Sie sich,
so gut Sie können, nehmen Sie sich Zeit bei Ihren Formulierungen,
lassen Sie sich durch die Abweisungen nicht beeindrucken
primär der Prozess zählt und nicht das Resultat ,
und Sie werden die Fehler und Widersprüche Ihrer Gegner leicht
entdecken, sie blossstellen und ihre Machenschaften scharf anprangern
können. Wenn Sie dabei nicht vergessen, dass auch Sie Fehler
begehen, werden Sie ein Bewusstsein erreichen, welches Sie unantastbar
macht.
Klage auf Feststellung von Menschenrechtsverletzungen (1.
Beispiel)
An das
Obergericht
Hirschengraben 13
CH 8023 Zürich
Sehr geehrte Damen und Herren,
in eigener Sache gegen den Kanton Zürich erhebe ich, gestützt
auf Art. 13 EMRK,
Klage
mit den Anträgen, es sei festzustellen, dass Art. 3 EMRK
verletzt worden ist, und es sei mir für das weitere Verfahren
die unentgeltliche Rechtspflege samt -beistand zu gewähren.
Begründung
Gestern abend, am 23.12.l999, ca. 23.00 Uhr, stürzten sich
hier in der Anstalt rund ein Dutzend Pflegerinnen und Pfleger
auf mich. Ich wurde an allen Extremitäten gepackt, einer
zog mir die Hosen runter, ein weiterer stach mir mit einer Injektionsnadel
ins Gesäss und pumpte eine mir unbekannte chemische Substanz
in meinen Körper. Ich verlor das Bewusstsein. Das ist Folter!
Da ich lediglich über das Existenzminimum verfüge,
habe ich Anspruch auf Unentgeltlichkeit. Ich werde beim zuständigen
Steueramt den Steuerausweis verlangen und Ihnen diesen nachreichen.
Mit freundlichen Grüssen
J.N. Meier
Klage auf Feststellung von Menschenrechtsverletzungen (2.
Beispiel)
Sehr geehrte Damen und Herren,
soeben habe ich erfahren, dass der Heiri Müller, Bahnhofstr.
1 in Zürich, heute morgen um 10.00 Uhr versucht hat, mit
mir hier in der Anstalt zu telefonieren. Die Telefonistin erklärte
ihm, dass ich in der Therapie sei und deshalb telefonisch
nicht erreicht werden könne. Abgesehen davon, dass bei der
Behandlung, welche mir hier aufgezwungen wird, von Therapie hinten
und vorne keine Rede sein kann, stellt das Verhalten der Anstaltsangehörigen
einen klaren Verstoss gegen mein in Art. 10 EMRK garantiertes
Menschenrecht auf Empfang von Nachrichten ohne Eingriffe öffentlicher
Behörden dar. Kein normaler Mensch muss sich gefallen lassen,
dass ein Dritter ohne sein Einverständnis darüber entscheidet,
wann und mit wem er telefoniere. Organisatorische Gründe
zählen nicht. In der Anstalt hat es überall Telefone,
und ich hätte ohne weiteres an einen Apparat gerufen werden
können.
Ich verlange daher, dass die Verletzung von Art. 10 EMRK festgestellt
wird.
Vollmacht
Ich bevollmächtige Herrn/Frau ....................... und
den Verein PSYCHEX, mich zu verteidigen, und entbinde die Ärzte
dem/der/den Beauftragten gegenüber vom Arztgeheimnis.
Ort .................................. Datum .........................
Unterschrift .............................