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des Antipsychiatrieverlags
Brief an die WHO vom 24.4.1997 /
English
translation
European
Network of (ex-) Users and Survivors of Psychiatry / Europäisches
Netzwerk von Psychiatriebetroffenen
An die
WHO
Dr. J. M. Bertolote
Mental Disorders Control
1211 Genf 27
Schweiz
24. April 1997
Kommentar zu: Quality Assurance in Mental Health
Care, »Draft. Human Rights of People with Mental Disorders«
(= Qualitätssicherung in der Psychiatrie. Entwurf.
Menschenrechte von Personen mit psychischen Störungen),
WHO 1997
1. Die nationale Gesetzgebung respektiert die Menschenrechte
von Menschen mit psychischen Problemen und ihrer Angehörigen
bzw. Menschen, denen psychische Probleme nachgesagt werden.
Die nationalen Organisationen Psychiatriebetroffener sollten
vor der Verabschiedung von Gesetzen zu Hearings eingeladen
werden.
5. Es gibt ein Gesetzesverfahren hinsichtlich Zwangsbehandlung
und Zwangsunterbringung, das eine automatische und regelmäßige
Prüfung ihrer Berechtigung durch eine kompetente Körperschaft
vorsieht. Hierbei sollte keine Entscheidung gegen das Votum
der Vertreter der nationalen Organisation von Psychiatriebetroffenen
erfolgen.
7. Jede Person mit einer psychischen Störung oder
der eine psychische Störung nachgesagt wird hat das
Recht, alle bürgerlichen, politischen, ökonomischen,
sozialen und kulturellen Rechte wahrzunehmen, die von den
Allgemeinen Menschenrechtserklärungen der UN und anderen
UN-Dokumenten als schützenswert deklariert wurden.
8. Auf nationaler Ebene sollte es einen Ombudsmann bzw.
eine Ombudsfrau geben, und zwar aus den Reihen der Psychiatriebetroffenen.
9. Es sollte unter Einbeziehung Psychiatriebetroffener
eine Körperschaft geben mit der speziellen Aufgabe,
die Einhaltung von Menschenrechten zu überwachen bei
Personen, die unter psychischen Störungen leiden oder
denen diese nachgesagt werden. Diese Körperschaft sollte
zudem die Zulassung neuer Behandlungsmethoden überwachen
sowie die Entscheidungen von Ethikkommissionen bei Forschungsvorhaben.
11. Die nationale Psychiatervereinigung (Verband/Vorstand)
hat eine Sektion, die sich speziell mit Menschenrechten
befasst. Hierbei sollte keine Entscheidung gegen das Votum
der Vertreter der nationalen Organisation von Psychiatriebetroffenen
erfolgen.
12. Die nationale Psychologenvereinigung (Verband/Vorstand)
hat eine Sektion, die sich speziell mit Menschenrechten
befasst. Hierbei sollte keine Entscheidung gegen das Votum
der Vertreter der nationalen Organisation von Psychiatriebetroffenen
erfolgen.
13. Die nationale Krankenpflegervereinigung (Verband/Vorstand)
hat eine Sektion, die sich speziell mit Menschenrechten
befasst. Hierbei sollte keine Entscheidung gegen das Votum
der Vertreter der nationalen Organisation von Psychiatriebetroffenen
erfolgen.
14. Die nationale Sozialarbeitervereinigung (Verband/Vorstand)
hat eine Sektion, die sich speziell mit Menschenrechten
befasst. Hierbei sollte keine Entscheidung gegen das Votum
der Vertreter der nationalen Organisation von Psychiatriebetroffenen
erfolgen.
15. Die nationale Beschäftigungstherapeutenvereinigung
(Verband/Vorstand) hat eine Sektion, die sich speziell mit
Menschenrechten befasst. Hierbei sollte keine Entscheidung
gegen das Votum der Vertreter der nationalen Organisation
von Psychiatriebetroffenen erfolgen.
15a. Als Form der Nutzerkontrolle sollten Psychiatriebetroffene
in die Ausbildung und Prüfungskommissionen von Psychiatern
mit einbezogen sein, außerdem von Ärzten, PsychologInnen,
Krankenschwestern, SozialarbeiterInnen und BeschäftigungstherapeutInnen,
und zwar auf Basis einer normalen Bezahlung.
18. Mindestens 20% aller psychiatrischen Betten sollten
in Allgemeinkrankenhäusern stehen. Für jedes psychiatrische
Bett sollte es ein Bett in einem anti- oder nichtpsychiatrischen
Weglaufhaus geben, Jedes zweite psychiatrische Bett soll
in einer Soteria-artigen Einrichtung stehen.
21. Sterilisierung, Abtreibung und jede Art von Behandlung,
die für die Nachkommenschaft der Behandelten schädlich
sein kann, sollte niemals gegen den Willen von Menschen
mit psychischen Problemen erfolgen bzw. Menschen, denen
psychische Probleme nachgesagt werden.
22. Hirnchirurgische Eingriffe und andere aggressive Behandlungsmaßnahmen
mit möglicherweise irreversiblen Folgen wie z.B. psychiatrische
Psychopharmaka, Elektro- und Insulinschocks gegen psychische
Probleme sollten niemals bei Zwangseingewiesenen und niemals
ohne informierte Zustimmung durchgeführt werden. Um
Vorausverfügungen abzusichern, sollten sie ausdrücklich
anerkannt werden. Auch Behandlungsvereinbarungen sollten
möglich sein. Psychiater, die ohne informierte Zustimmung
behandeln, sollten ihre ärztliche Zulassung verlieren
[sofern keine im Einzelfall nachgewiesene Lebensgefahr und
kein nachgewiesenes Fehlen einer natürlichen Einsichtsfähigkeit
vorliegen.]
23. Klinische Versuche und experimentelle Behandlungen
sollten niemals an Zwangseingewiesenen durchgeführt
werden, und niemals ohne informierte Zustimmung. Es sollte
eine Beweislastumkehr erfolgen: Bei möglichen Schäden
sollten die Institutionen und Personen, die die Maßnahmen
durchführten, gezwungen sein nachzuweisen, dass die
Schäden nicht von ihnen verursacht wurden.
24. Wichtige psychiatrische Psychopharmaka sollten leicht
und schnell erreichbar sein für diejenigen, die sie
wollen.
26. Es gibt schriftliche Richtlinien psychiatrischer Behandlungsqualität,,
die mit der Zustimmung der nationalen Organisation von Psychiatriebetroffenen
verabschiedet wurden.
27. Es gibt angemessene Behandlungseinrichtungen für
Menschen, die Straftaten unter psychischen Beeinträchtigungen
begangen haben. Die Behandlung sollte nicht-pharmakologische
Maßnahmen wie z.B. Psychotherapie einschließen.
28. Es gibt angemessene Behandlungseinrichtungen für
Kinder und Jugendliche. Die Behandlung sollte nicht-pharmakologische
Maßnahmen wie z.B. Psychotherapie einschließen.
29. Es gibt angemessene Behandlungseinrichtungen für
ältere Menschen. Die Behandlung sollte nicht-pharmakologische
Maßnahmen wie z.B. Psychotherapie einschließen.
30. In jeder vorhandenen Einrichtung sollte ausreichend
Platz vorhanden sein. Folgendes sollte in psychiatrischen
Einrichtungen vorhanden sein:
-
Patiententelefone in einer Kabine auf jeder Station
-
Münzkopierer deutlich sichtbar im Eingangsbereich
jeder Anstalt
-
deutlich sichtbarer Anschlag auf jeder Station, dass
auf Wunsch Briefpapier, Briefumschläge und Briefmarken
zur Verfügung gestellt werden
-
Möglichkeiten zum Aufhängen von Informationsschriften
von lokalen, regionalen und nationalen Selbsthilfegruppen
-
Angebot eines täglichen Spaziergangs unter freiem
Himmel von mindestens einer Stunde Dauer
-
Teeküche auf jeder Station, damit man sich rund
um die Uhr etwas zu essen und zu trinken machen kann.
Die Rechte von NichtraucherInnen auf gesunde Luft sind
zu berücksichtigen, ebenso die Rechte von RaucherInnen,
soviel zu rauchen wie sie wollen.
32. Die Nahrung in psychiatrischen Einrichtungen sollte
ernährungswissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen.
Auf Bedürfnisse von Personen, die einer Diät bedürfen,
ist einzugehen.
33. Das Team sollte regelmäßig mit den InsassInnen/PatientInnen
sprechen, und zwar grundsätzlich in einem freundlichen,
positiven und aufbauenden Ton. Auf Wunsch hat das Team zu
schweigen und die jeweiligen InsassInnen/PatientInnen in
Ruhe zu lassen.
34. Für alle InsassInnen/PatientInnen werden Akten
geführt. Sie sind ihnen jederzeit und ohne Begründungszwang
zugänglich. Sie haben das Recht auf Kopien, Korrekturen
und Kommentierungen.
38. Familienangehörigen, die das wollen, haben das Recht,
vom Personal Hilfe und Unterstützung zu verlangen.
Für das Europäische Netzwerk von Psychiatriebetroffenen
Peter Lehmann