21. Februar 2023

Psychexit-AG

Wir trauern um unseren langjährigen Psychexit-Weggefährten Martin Urban

Seit unserer ersten Expertenrunde »Psychexit – Auf dem Weg zum Curriculum ›Kompetente Hilfe beim Absetzen von Antidepressiva und Neuroleptika‹« begleitete Martin unsere Tagungen. Wir schätzten ihn als stets verlässlichen, kooperativen, zugewandten und engagierten Freund, dem unser Thema, die Unterstützung beim Absetzen von Psychopharmaka, sehr am Herzen lag. Schon 1998 trug er mit »Absetzen von Psychopharmaka – eine Fallgeschichte« zum Buch »Psychopharmaka absetzen – Erfolgreiches Absetzen von Neuroleptika, Antidepressiva, Phasenprophylaktika, Ritalin und Tranquilizern« bei; bezeichnenderweise gab er seinem Fallbeispiel Eva, die er beim Absetzen von Neuroleptika begleitete, das letzte Wort. Vom üblichen Expertenmonolog hielt Martin absolut nichts.

Martin arbeitete als Diplom-Psychologe und Psychotherapeut, sieben Jahre lang sogar in einer psychiatrischen und sechs Jahre in einer psychosomatischen Klinik. Zudem war er langjähriger Leiter der Fachgruppe »Klinische Psychologen in der Psychiatrie« im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen und Sprecher des Fachausschusses Psychotherapie in der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie. Von 1989 bis 2009 war Martin in eigener Praxis in Esslingen im Schwabenland tätig und leitete zwölf Jahre lang die Nachsorgeeinrichtung »Therapeutische Wohngemeinschaften«, die heute von einem Selbsthilfeverein von Betroffenen weitergeführt wird (Offene Herberge e.V., Stuttgart). 2008 gründete er die alternative Einrichtung Maison d'Espérance e.V. in Val d'Hérault, Südfrankreich, die er bis 2014 leitete. Ab 2016 engagierte er sich für den Aufbau eines »Haus der Hoffnung« in Thüringen.

Zu seinem Engagement für humanistisch orientierte Hilfen für Menschen mit psychischen Problemen passte auch sein Einsatz für Psychosentherapie. So saß er 2010 beim Symposium »Psychotherapie und helfende Beziehung statt Psychiatrisierung – Alternative Wege bei schweren seelischen Krisen« mit auf dem Podium, das Peter Lehmann und Uta Wehde beim 26. Kongress für Klinische Psychologie, Psychotherapie und Beratung (der Deutschen Gesellschaft für Verhaltenstherapie) leiteten. Zuvor schon hatte er zwei Bücher zu diesem Thema herausgegeben: »Psychotherapie der Psychosen – Konzentrische Annäherungen an den Weg der Heilung« (2000) und »Bindungstheorie in der Psychiatrie« (2005, gemeinsam mit Hans-Peter Hartmann).

Martin wurde am 14. Juni 1939 in Goldberg, Schlesien (heute Złotoryja, Polen) geboren. 2016 heiratete er Susi, mit der er 2020 von Thüringen nach Bayern zog. Zuletzt, immerhin schon 83 Jahre alt, arbeitete Martin halbtags als Psychotherapeut in einer Münchner Gemeinschaftspraxis; für den Januar 2023 war der Wechsel an seinen Wohnort Bad Wiessee geplant. Gemeinsam mit seiner Frau arbeitete er zudem noch in Landshut in einem Rehazentrum der Psychosomatik und Orthopädie.

Martin starb am 10. Januar 2023. Die Psychexit-AG trauert um Martin.

Martin Urban
Martin Urban
* 14.6.1939    † 10.1.2023
Hilde Schädle-Deininger, Regina Bellion, Martin Urban
Von links: Hilde Schädle-Deininger, Regina Bellion und Martin Urban bei der Psychexit-Expertentagung am 28. April 2017 in Berlin