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Dorothea-Buck-Park in Hamburg Regionalausschuss entschied sich für den Namen der Kämpferin für eine menschliche Psychiatrie

Von Gangolf Peitz, Saarbrücken

Newsletter Seelische Gesundheit Sonderausgabe im Februar 2021, herausgegeben von der Selbsthilfe SeelenLaute Saar (Saarbrücken / Merzig / Saarburg / Trier)

Der im Hambuger Ortsteil auf dem Schnelsen-Deckel neu entstehende Park wird nach Dorothea Buck benannt. Im vergangenen Jahr konnten die Schnelsenerinnen und Schnelsener Namensvorschläge einreichen. Wie es von der örtlichen SPD heißt, waren die gesamt 189 Vorschläge mit 43 Seiten Begründungen sehr kreativ, von „Gustav-Grimm-Park“ (Schnelsener Künstler) über „Schneckel“ (Schnelsen und Deckel) bis hin zu „Heidpark“ (in Anspielung an den Hydepark in London). Nach Diskussion im örtlichen Regionalausschuss im Dezember, fiel die Entscheidung unlängst auf der Sitzung im Januar 2021: Die Grünanlage wird nach Dorothea Buck benannt und der neue Quartiersplatz an der Frohmestraße nach den verstorbenen Geschwistern Töllke, die sich im Ortsteil Schnelsen gemeinnützig engagierten. Die Hamburger Presse (z.B. das Niendorfer Wochenblatt vom 23. Januar 2021), das Forum für kommunalpolitischen Dialog in Schnelsen (http://www.forum-schnelsen.de/Aktuell/) oder die Website von MdHB Marc Schemmel, SPD (https://www.marc-schemmel.de/dorothea-buck-park-und-geschwister-toellke-platz-auf-dem-schnelsener-deckel/) informierten.

Vorgesehen ist eine große, offene Park- und Picknickwiese mit Esplanade. Rund 150 Bäume sollen auf dem knapp 2,9 Hektar großen Areal mit Park- und Kleingartenanlagen gepflanzt werden, darunter Rotahorn- und Kirschbäume. Für den Quartiersplatz sind Reihen-Anpflanzungen der japanischen Maienkirsche und des Zierapfels angedacht, im Weiteren Magnolien und Eisenholzbäume. Fast 40 Bänke sollen zum Verweilen einladen.

Die 1917 in Naumburg an der Saale geborene Dorothea Buck hatte in der Nazizeit die Diagnose „Schizophrenie“ erhalten und wurde als Zwangssterilisierte Opfer der Diktatur, überlebte aber mit Glück die „Euthanasie“. Fünfmal war sie in Deutschland in Anstalten stationär interniert: 1936, 1938, 1943, 1946 und 1959. Sie erlernte das Töpferhandwerk, absolvierte eine Ausbildung zur Bildhauerin und ging zur Kunsthochschule. 1969 bis 1982 war sie Dozentin für Kunst und Werken an der Sozialpädagogik-Fachschule in Hamburg. Seit den frühen 1960er Jahren setzte sie sich für Verbesserungen der nach wie vor teils menschenunwürdigen Bedingungen in den deutschen Psychiatriekliniken und Heimen ein. 1969 schrieb sie ein Theaterstück über den hunderttausendfachen Mord an psychisch kranken und behinderten Menschen in der NS-Zeit, anfangs unter Pseudonym. 1990 erschien ihr bahnbrechendes Buch „Auf der Spur des Morgensterns. Psychose als Selbstfindung“, worin die Autorin seelische Erschütterungen (psychische Krankheiten) als Ausdruck innerer Konflikte, Erlebnisse und Verletzungen zu verstehen gibt. Es folgten Aufsätze, Vorträge und intensive Engagements für eine humanere Psychiatrie heute und unzählige persönliche, mutmachende Briefantworten an betroffene Menschen, die ihr bis zuletzt schrieben und Kummer und Sorgen vertrauensvoll ausschütten konnten.

Zusammen mit dem Psychologen Thomas Bock (UKE Hamburg) begründete sie 1989 in der Hansestadt den Trialog: Psychiatrie-Erfahrene (PatientInnen), Angehörige und in der Psychiatrie beruflich Tätige treffen sich zu einem gleichberechtigten Wissens-, Meinungs- und Erfahrungsaustausch. Psychose-Seminare etablierten sich anschließend im gesamten deutschsprachigen Raum. 1992 gründete sie mit anderen Betroffenen den Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener, war Vorstandsmitglied und wurde später dessen Ehrenvorsitzende. 2008 wurde Dorothea Buck mit dem Bundesverdienstkreuz gewürdigt. Deutschlands bekannteste und bedeutendste Psychiatrie-Erfahrene starb am 9. Oktober 2019 im Alter von 102 Jahren in Hamburg im Schnelsener Albertinen-Haus. Die Trauerfeier fand in der Niendorfer Kirche statt. Die bundesweite und internationale Presse berichtete (siehe z.B. Nachruf in der New York Times vom 18.10.2019 unter https://www.nytimes.com/2019/10/18/health/dorothea-buck-dead.html).

Dorothea Buck bleibt posthum tiefe Mahnerin und Friedensstiftende. Gegen jedweden Hass, gegen Schwarz-Weiß-Malerei, Intoleranz und vereinfachende Sprache. Für Kommunikation, Verbindendes und Solidarisieren, für das Gespräch und die Kraft des Arguments. Ein weiterzutragendes Erbe für Menschlichkeit und Menschenrechte, vor allem aus der Selbsthilfebewegung. Dies zu erinnern, dazu kann der neue Dorothea-Buck-Park in Hamburg beitragen.

Fundierte Informationen zu Dorothea Buck findet man auf der Seite http://www.antipsychiatrieverlag.de/artikel/biographien/dorothea/buck.htm. Der Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener e.V. hatte 2007 beschlossen, in Würdigung der BPE-Ehrenvorsitzenden fortan die Internetadresse www.dorothea-buck.de zu betreiben. Bis zu ihrem Tod betreute Peter Lehmann diese Unterseite von bpe-online.de in Absprache mit Dorothea Buck. Bedauerlicherweise hat der BPE-Vorstand nach dem Webmaster-Wechsel 2020 die bis dahin redaktionell gut betreute Seite vom Netz genommen. Inzwischen (11. Februar 2021) hat Peter Lehmann auf der Website seines Antipsychiatrieverlags die Seite mit Lebensdaten, Veröffentlichungen, Filmen, Vorträgen, Stellungnahmen etc. für alle Interessierten als Referenzadresse dankenswerterweise komplett neu eingerichtet.