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                des Antipsychiatrieverlags
 
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              in: 
Kerstin 
              Kempker / Peter Lehmann (Hg.): Statt Psychiatrie (Berlin: Peter 
              Lehmann Antipsychiatrieverlag 1993), S. 443-448 
              
               David Oaks
              Antipsychiatrie und Politik  20 Jahre Widerstand in 
                den USA
              Die gegenwärtige US-amerikanische Antipsychiatrie- und Selbsthilfe-Bewegung 
                muss sich in unserer autoritären und schwierigen Zeit mit 
                vielerlei Zwängen auseinandersetzen. Eine bescheidene finanzielle 
                Unterstützung durch die Regierung hat ungefähr 100 innovative 
                nutzerkontrollierte Projekte ermöglicht. Dies ist zwar ein 
                schöner Erfolg, bedroht aber auch die Bereitschaft zu radikalen 
                Protestaktionen. (Übrigens meint das Wort 'radikal' gar nichts 
                Schlimmes. Es bedeutet einfach, ein Problem bei den Wurzeln zu 
                packen: die Psychiatrie und das System, welches von der 
                Psychiatrie gestützt wird.)
              Ich will das an einem Beispiel verdeutlichen: Stellen Sie sich 
                vor, Greenpeace würde von der Regierung fordern, die Säuberungsaktionen 
                nach einer Ölpest zu finanzieren. Wenn Greenpeace damit Erfolg 
                hätte, wird es deswegen doch nicht das offizielle Greenpeace-Hauptquartier 
                in einem Büro für Ölpestbeseitigung aufschlagen 
                und von der Regierung die Finanzierung seiner nächsten Protestaktion 
                erwarten! Doch unsere US-amerikanische Selbsthilfe-Bewegung ist 
                genau in diese Falle getappt  jedenfalls bis zu einem gewissen 
                Grad. Wir haben das Schlachtfeld mit unserem eigenen Stützpunkt 
                verwechselt.
              Jetzt sind besondere Anstrengungen, Ausdauer und Bündnisse 
                erforderlich, damit wir zu unserer wahren Stärke zurückfinden: 
                Macht durch Masse und Verbindungen mit anderen Bewegungen. Wir 
                müssen uns in andere gesellschaftliche Auseinandersetzungen 
                einmischen, frei finanziert, energisch und direkt.
              Die Probleme schreien geradezu nach unserem Engagement. Wie in 
                der Nazizeit schweigen die meisten. Die Psychiatrie verschärft 
                den Einsatz von Elektroschocks und Psychopharmaka, diesen massiven, 
                Gehirn-schädigenden und gelegentlich tödlichen Zwangsmitteln. 
                Jede/r einzelne ist aufgefordert, das herrschende Schweigen zu 
                brechen und sich humanen Alternativen zuzuwenden, um die eigene 
                Handlungsfähigkeit wiederzuerlangen.
              Mit der psychiatrischen Unterdrückung entstand auch der 
                antipsychiatrische Widerstand. Benjamin Rush, der 1776 die US-amerikanische 
                Unabhängigkeitserklärung mitunterzeichnet hat, wird 
                von der APA  (American Psychiatric Association; Standesorganisation 
                der US-amerikanischen Psychiater) als 'Vater der amerikanischen 
                Psychiatrie' bezeichnet. Auf allen offiziellen Publikationen der 
                APA prangt sein Portrait. Routinemäßig setzte Rush 
                bizarre Foltermethoden ein, darunter Aderlass, Tauchbäder, 
                Drehstühle und Fesselungen. Sie können darauf wetten, 
                dass sich seine 'PatientInnen' wehrten. Um ihn in eine Psychiatrische 
                Anstalt zu bringen, musste Rush natürlich auch bei seinem 
                eigenen Sohn Zwang anwenden.
              Organisierter, sichtbarer Widerstand gegen Folterung durch Psychiater 
                war jedoch selten. Lange Zeit tauchten in den USA nur vereinzelt 
                Psychiatrie-betroffene Gruppen, AutorInnen und Selbsthilfeprojekte 
                auf. In den frühen 1970er-Jahren entstanden zahlreiche Organisationen, 
                die noch heute Unruhe stiften. Wie kam es dazu? 
              Die US-amerikanische Bewegung 1971 
              Zu sozialen Bewegungen gehört es, dass die AktivistInnen 
                'Connections' zu anderen Bewegungen suchen. Anfang der 1970er-Jahre 
                nahmen solche Verbindungen konkrete Gestalt an und erwiesen sich 
                als sehr hilfreich. Die frühen AktivistInnen  wie Judi 
                Chamberlin, Ted Chabasinski oder Howie the Harp  berichten, 
                wie sie z.B. in der einen Stadt gerade eine Gruppe organisierten 
                und in der Nachbarstadt ohne ihr Zutun bereits eine neue entstand. 
                Unsere Gruppen wucherten wie Unkraut auf einem kurzgeschorenen, 
                pestizidverseuchten Rasen in der uniformierten Vorstadtidylle. 
                Die Kultur dieser Zeit  Ausdruck einer umfassenden Rebellion 
                 war fruchtbarer Boden für unsere Ideen.
              Die Frauenbewegung ermöglichte uns, sexistische Tendenzen 
                in unseren Reihen zu erkennen. Ihre Formen der Selbsterfahrung 
                waren unsere unmittelbaren Vorbilder und gaben uns Starthilfe. 
                Selbsterfahrungsgruppen sind eine Erfindung der Frauenbewegung. 
                In einer solchen Gruppe kommen Betroffene zusammen und starten 
                Gegenaktionen.
              Die Friedensbewegung, die Bewegung für ökonomische 
                Gerechtigkeit und sogar die Umweltbewegung zeigten uns, dass Organisierung 
                selbstverständlich und notwendig ist. Die Gruppen z.B., die 
                sich für Sonnenenergie einsetzten, forderten eine dezentrale, 
                nutzereigene und angepasste Technologie, die sich an den Bedürfnissen 
                der Menschen und nicht am Profit orientiert. Die Gegenkultur insgesamt 
                half uns, indem sie die Bedeutsamkeit von anderen Bewusstseinszuständen, 
                östlichen Religionen, mystische Erfahrungen usw. hervorhob.
              Die Rolle unserer engen Verbündeten war von entscheidender 
                Bedeutung. Radikale 'TherapeutInnen' unterstützten uns mit 
                ihren Schriften und Publikationen. Sie initiierten eine jährlich 
                stattfindende nationale Konferenz, auf der viele Psychiatrie-Betroffene 
                zusammenkamen. Man erzählt, dass die Betroffenen allmählich 
                die Führung der Konferenz übernommen und die Professionellen 
                ausgeschlossen haben. Solche 'separatistischen' Kämpfe fanden 
                auch zu anderen Zeiten statt und waren vielleicht auch nötig; 
                wir sollten aber nicht vergessen, dass die radikalen 'TherapeutInnen' 
                uns dabei behilflich waren, einige Dinge ins Rollen zu bringen. 
              
              1976 kam ich mit der Mental Patients' Liberation Front  (Befreiungsfront 
                von Psychiatrie-PatientInnen)  in Kontakt. Eine fortschrittliche 
                Gruppe, die Vocations for Social Change  (Berufe für sozialen 
                Wandel), stellte für unsere Treffen Räume zur Verfügung, 
                vollgestopft mit Postern von KämpferInnen der Arbeiter-, 
                der Frauen- und Antikriegs-Bewegung. Wir erhielten bescheidene 
                Zuschüsse aus dem Haymarket-Fond, einer neugegründeten 
                und unvoreingenommenen Stiftung, hinter der junge und wohlhabende 
                Leute standen, allesamt auf Kriegsfuß mit dem Establishment. 
                Mit viel Elan kämpften wir für den Aufbau von Treffpunkten 
                und gegen psychiatrische Zwangsbehandlung.
              Die US-amerikanische Bewegung 1981 
              Mehrere Dutzend kleiner Basisgruppen waren miteinander vernetzt: 
                über die Zeitschrift Madness Network News und über 
                die erwähnte Jahreskonferenz, die dann den Namen 'International 
                Conference on Human Rights and Psychiatric Oppression'  ('Internationale 
                Konferenz über Menschenrechte und psychiatrische Unterdrückung') 
                erhielt. Fortschrittliche AnwältInnen erzielten einige 
                bescheidene Erfolge für Anstalts-InsassInnen. AktivistInnen 
                wie z.B. der Psychiater Peter Breggin brachten die Praxis der 
                Lobotomie (operative Durchtrennung von Vorderhirn-Nervenbahnen) 
                 nahezu gänzlich zum Stoppen. In Kalifornien gelang es 
                NAPA (Network Against Psychiatric Assault; Netzwerk gegen psychiatrische 
                Bedrohung), den Elektroschock etwas in Verruf zu bringen und 
                seine Anwendung zu erschweren. Mit seinem Engagement legte NAPA 
                den Grundstein für ein  zwar kurzes, aber historisch 
                bedeutsames  Verbot des Elektroschocks in Berkeley durch 
                Volksentscheid im Jahr 1982; dabei wurde NAPA von einem Bündnis 
                fortschrittlicher Gruppen wirkungsvoll unterstützt.
              Mitte der 1980er.Jahre wechselte ich meinen Wohnsitz in das entlegene 
                Oregon (im Nordwesten der USA). Dort machte ich einen Abstecher 
                zu einigen anderen Bewegungen, so z.B. zu den Atomwaffen-GegnerInnen 
                und der Zurück-zur-Natur-Bewegung. Darüber bin ich recht 
                froh, denn als Reagan so richtig loslegte, soll es  zuverlässigen 
                Berichten zufolge  in unserer Bewegung ganz schön 'gekracht' 
                haben. Dafür gab es letztlich zwei Gründe. 
              Zum einen, so schien es, hatten einige AktivistInnen ein eher 
                bescheidenes Ziel tatsächlich erreicht: Sie konnten von der 
                Bundesregierung ein paar tausend Dollar ergattern. Zum anderen 
                war unsere Bewegung nicht genügend organisiert, oder es fehlte 
                einfach an Geschick, unabhängig und einflussreich zu sein. 
                So verausgabten sich die Leute bei internen Kämpfen. 
              Als die Bundesregierung in Washington, D.C., unter anderem einige 
                Kongresse und Nachbarschaftsläden sowie Fördermittel 
                zur technischen Unterstützung zu finanzieren begann, war 
                der Teufel los. Einige AktivistInnen begegneten dieser Unterstützung 
                mit äußerstem Misstrauen; sie sahen darin den Versuch, 
                uns aufzukaufen, zu beschwichtigen und zu vereinnahmen. Madness 
                Network News, schon vorher in erbitterte innere Auseinandersetzungen 
                verstrickt, überlebte nicht.
              Das Misstrauen der Radikalen gegenüber der staatlichen Unterstützung 
                hatte gute Gründe. Ähnliches war mit der Anti-Armutsbewegung 
                geschehen. Als sich mittellose Menschen Mitte der 1960er-Jahre zu 
                organisieren begannen, entschärfte die Bundesregierung die 
                Bewegung, indem sie geringe finanzielle Mittel zur Verfügung 
                stellte und einigen Schlüsselfiguren Posten verschaffte.
              Die Anfänge der staatlichen Finanzierung unserer Bewegung 
                führten zu heftigen Kontroversen auf unserer Internationalen 
                Konferenz. Wie schon zuvor erwies sie sich auch jetzt als unfähig, 
                sich auf eine tragfähige Struktur zu einigen. Viele Leute 
                stiegen deshalb aus, die Konferenz wurde isoliert. Seither findet 
                einmal im Jahr die staatlich finanzierte 'Konferenz der Alternativen' 
                statt.
              Die übriggebliebenen Radikalen rauften sich zusammen und 
                schafften es, ein hochkarätiges nationales Gremium zu bilden; 
                es war der Kern der späteren NAPS  (National Association 
                of Psychiatric Survivors; Nationaler Verband der Psychiatrie-Überlebenden). 
                Koordinatorin ist Rae Unzicker. 
              Eine weitere unabhängige Gruppe ist NARPA  (National 
                Association for Rights Protection and Advocacy; Nationaler Verband 
                für Rechtsschutz und Rechtsvertretung); zu ihren Jahrestreffen 
                kommen viele RechtsanwältInnen und Psychiatrie-Betroffene. 
                NARPA wiederum hat sich der Support Coalition International  
                (Internationale Unterstützungskoalition)  angeschlossen.
              Die US-amerikanische Bewegung 1991
              Auf der staatlich finanzierten 'Konferenz der Alternativen' im 
                August 1991 in Berkeley sah es so aus: Auf Staatskosten wurden 
                hierher etwa 1.500 Psychiatrie-Betroffene aus den ganzen USA eingeflogen. 
                Bewährte KämpferInnen betreuten die Massen, verteilten 
                Schriften und hielten viele Reden. Um uns herum demonstrierten 
                die EinwohnerInnen von Berkeley auf der Straße  zufällig, 
                für den Erhalt ihres Parks. (Der People's Park  (Volkspark) 
                 ist von historischer Bedeutung und wird heute von Obdachlosen 
                genutzt.) 
              Ist die 'Konferenz der Alternativen' nicht beeindruckend? Geht 
                es uns denn nicht gut? Nein, völlig falsch! Denn die Leiterin 
                Nancy Donigan, selbst Psychiatrie-Betroffene, ließ mit Rückendeckung 
                einiger konservativer 'NutzerInnen' tatsächlich einen der 
                Teilnehmer während der Konferenz in eine Psychiatrische Anstalt 
                zwangseinweisen!
              Die TeilnehmerInnen repräsentierten mehr als 100 verschiedene 
                kleine Gruppen und Nachbarschaftsläden in den ganzen USA. 
                Viele Gruppen entstanden mit finanzieller Unterstützung von 
                Gemeinden, Ländern und/oder Bund. Sie bejahen das 'Nutzer'-Empowerment 
                 (Rückgewinnung der Selbstbestimmung) und das Prinzip 
                der 'Nutzerkontrolle', wenn sie sich auch in der Ausprägung 
                der demokratischen Strukturen unterscheiden. Einige Gruppen sind 
                ziemlich groß und haben mehrere Dutzend Angestellte. 
              Wie aber steht es um die Grundlage unserer Bewegung, der direkten 
                politischen Aktion bei gesellschaftlichen Auseinandersetzungen? 
                Darüber gibt es wenig zu berichten, aber die Lage ist nicht 
                hoffnungslos. Die Support Coalition International, für die 
                ich arbeite, brachte ein Dutzend Gruppen für eine Elektroschock-Kampagne 
                zusammen. Am 14. Juli 1991, unserem internationalen Protesttag 
                (der 14. Juli ist der Tag der Erstürmung der Bastille), veranstalteten 
                13 Gruppen aus Kanada und den USA gleichzeitig verschiedene Protestaktionen. 
                Dabei ging es um die Menschenrechte von Leuten, die elektrogeschockt 
                werden. Auf der 'Konferenz der Alternativen' im August desselben 
                Jahres brachten wir, etwa 150 Leute, eine Stellungnahme gegen 
                Elektroschocks durch.
              Es zeigt sich, dass die Bewegung durch die staatliche Finanzierung 
                in weiten Teilen geschickt kontrolliert wird. Üblicherweise 
                laufen die Gelder über das lokale System der psychiatrischen 
                'Gesundheitsfürsorge'. Dadurch sind aufgebrachte Psychiatrie-Betroffene, 
                die mit dem System nichts zu tun haben wollen, von der weiteren 
                Verteilung ausgeschlossen. Viele Leute in der Bewegung sind in 
                das psychiatrische System eingebunden, werden elektrogeschockt 
                oder psychopharmakologisch behandelt und fangen gerade erst an, 
                diese Dinge zu hinterfragen. Es ist, als befänden wir uns 
                in einer gigantischen psychiatrischen Abteilung  mit einer 
                Handvoll aktiver Ex-InsassInnen als Fluchthelfer.
              Wir sollten nicht alle unsere Probleme mit der staatlichen Finanzierung 
                begründen. Man hat uns Psychiatrie-Betroffenen sehr übel 
                mitgespielt; wir sind in unserem tiefsten Inneren verletzt. Autoritätsansprüchen 
                gegenüber sind wir sehr misstrauisch. Wir sind stocksauer. 
                D.h. dass wir oftmals alle niedermachen, die versuchen, eine Führungsrolle 
                einzunehmen, während wir selbst zögern, uns an die Spitze 
                der Bewegung zu stellen. Andere soziale Bewegungen könnten 
                uns da als Vorbild dienen. Die Friedensbewegung z.B. zeigt uns, 
                wie wichtig es ist, Mittel und Zweck in Einklang zu bringen. D.h. 
                wenn wir für eine menschenfreundlichere Gesellschaft eintreten, 
                müssen wir uns auf dem Weg dorthin auch so verhalten. Wütend 
                zu sein ist in Ordnung, aber es gibt keinen Grund dafür, 
                uns gegenseitig fertigzumachen.
              Auch in weiteren Bereichen können wir von anderen Bewegungen 
                lernen. Viele organisieren sich zu größeren Verbänden, 
                bei denen die Bündnispartner unabhängig bleiben. Die 
                historische Grundlage unserer Bewegung ist die Basisgruppe, die 
                direkte politische Aktionen unternimmt. Ich denke, dass Verbände, 
                die von gewählten VertreterInnen jeder aktiven lokalen Gruppe 
                gebildet werden, unsere Unabhängigkeit erhalten, uns gegen 
                zersetzende Folgen staatlicher Finanzierung wappnen und es ermöglichen, 
                uns nationalen und internationalen Kampagnen anzuschließen. 
              
              Angesichts einiger hundert hoffnungsvoller, aber kontrollierter 
                Projekte ist es ganz hilfreich, sich an die Bürgerrechtsbewegung 
                in den Südstaaten während der 1950er- und 1960er-Jahre zu 
                erinnern. Die schwarzen christlichen Kirchengemeinden bildeten 
                damals die Inseln der Gemeinschaft, die später revoltieren 
                sollte. Martin Luther King warnte seinerzeit davor, dass einige 
                dieser Gemeinden tatenlos zusehen werden  er bezeichnete 
                sie als 'totlangweilige' Kirchengemeinden. Ihr inneres Feuer war 
                erloschen. 
              Auch in unserer Bewegung ist das Feuer der Rebellion fast gänzlich 
                erstickt worden, und zwar durch die staatliche Finanzierung. Diese 
                Gelder sind zwar sehr wichtig für uns, und wir brauchen noch 
                mehr  aber sie sind nicht unser Ziel, sondern nur 
                Mittel zum Zweck. Ich hoffe, dass sich viele Bündnisse  
                wie z.B. die Support Coalition International  zu einer unabhängigen 
                Gegenmacht zusammenschließen und, gestützt auf Tausende 
                von Mitgliedern und finanziell unabhängig, mit anderen sozialen 
                Bewegungen verbünden. So können wir das Schweigen über 
                das faschistoide Anschwellen von Zwangsbehandlung mit Elektroschocks 
                und Psychopharmaka brechen. Wir können Alternativen anbieten, 
                die auch funktionieren. 
              Andere Bewegungen für sozialen und ökologischen Umbau 
                brauchen unsere Hilfe. Wir können langfristig gegenseitige 
                emotionale und andere Unterstützung bieten und fördern, 
                um zu der inneren Stärke zu gelangen, die für eine gewaltlose 
                globale Revolution erforderlich ist. Wir können andere lehren, 
                dass 'Normalität' gefährlich ist und kreatives Denken 
                und Fühlen not tun.
              Wir haben die Lobotomie überlebt, Insulin- und Elektroschocks, 
                Psychopharmaka, Zwangsjacke und Fixierung, also sollte es doch 
                kein Problem sein, die Kontrolle mittels staatlicher Finanzierung 
                zu zerschlagen! Wir müssen eine wesentlich höhere finanzielle 
                Unterstützung für Projekte fordern, aber wir dürfen 
                diese Unterstützung nie wieder mit dem Fundament unserer 
                Unabhängigkeit und Stärke verwechseln. Unsere Basis, 
                die in verschiedenen sozialen und basisdemokratischen Bewegungen 
                verwurzelt ist, müssen wir erneuern. Dabei dürfen wir 
                nicht vergessen, dass staatliche Finanzierung und unsere Unabhängigkeit, 
                die beide wichtig sind und sich ergänzen, zwei unterschiedliche 
                und voneinander getrennte Grundlagen unseres Kampfes darstellen.
              Aus dem Amerikanischen von Rainer Kolenda
             
              Geboren 1955 in Chicago, Illinois, stammt aus einer Arbeiterfamilie. 
                Ein Stipendium ermöglichte ihm den Besuch des Harvard College; 
                die vielen neuen Eindrücke dort beeinflussten sein Denken 
                und Empfinden. Obwohl er während des Studiums 5mal in Psychiatrische 
                Anstalten gesperrt wurde, wo man ihn isolierte und mit Neuroleptika 
                zwangsbehandelte, schloss er 1977 mit Auszeichnung ab; seine Abschlussarbeit 
                handelt von der Organisierung von Psychiatrie-Betroffenen. Seitdem 
                ist er aktiv im Kampf für deren Rechte sowie in der Friedens- 
                und Umweltbewegung. Außerdem ist er Mitkoordinator der Support 
                Coalition International (Internationale Unterstützungskoalition 
                [jetzt MindFreedom International]) und Herausgeber der Zeitschrift 
                Dendron News [jetzt: MindFreedom Journal], die über 
                die internationale Befreiungsbewegung von Psychiatrie-Betroffenen 
                berichtet. (Stand: 1993)