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des Antipsychiatrieverlag
Original in: Wolfram Pfreundschuh (Hg.): Kulturkritisches Lexikon.
Online-Ressource vom 2. Februar 2014. Letzte Aktualisierung am 5.
Juli 2024
Psychopharmaka eine Übersicht über die Wirkstoffgruppen
Mit Psychopharmaka meint man diejenigen psychotropen, das heißt
die Psyche beeinflussenden Substanzen, die psychische Veränderungen
herbeiführen, wenn sie in den Körper einverleibt werden.
Dies kann Schokolade sein, Alkohol, Heroin oder auch eine Substanz,
die man unter einer medizinischen Indikationen als Medikament verwendet.
In der Humanmedizin (einschließlich Psychiatrie) kommen aus
der Vielzahl der psychotropen Substanzen Vertreter aller Psychopharmakagruppen
zum Einsatz:
- Neuroleptika
(»Antipsychotika«), z. B. Abilify, Dapotum, Haldol,
Imap, Latuda, Leponex, Reagila, Rexulti, Risperdal, Seroquel,
Zyprexa
- Antidepressiva
(Thymoleptika), z. B. Anafranil, Aurorix, Citalopram, Johanniskraut,
Floxyfral, Fluctin, Insidon, Tofranil
- Phasenprophylaktika / Stimmungsstabilisatoren: Lithium,
Antiepileptika (wie z.
B. Finlepsin, Tegretal, Timonil)

- Tranquilizer,
z. B. Atarax, Halcion, Lexotanil, Librium, Ludiomil, Noveril,
Rohypnol, Tavor, Valium, Zopiclon
- Psychostimulanzien, z.
B. Attentin, Captagon, Focalin, Elvanse, Kokain, Ritalin, Medikinet,
Strattera

- Hypnotika (Beruhigungs- und Schlafmittel), z. B. Amytal,
Antabus, Baldrian, Distraneurin, Heroin, Luminal, Opium

- Halluzinogene / Rauschmittel wie z. B. Cannabis, LSD,
Mescalin, Psilocybin
-
Antiparkinsonmittel,
z. B. Akineton, Amantadin, Artane, Parkopan, PK-Merz, Symmetrel

Im Zeitalter der Biochemie stehen im Zentrum der medizinisch-psychiatrischen
Praxis naturgemäß Substanzen, die psychische Prozesse
über eine Veränderung des Aktivitätszustands des
Zentralnervensystems beeinflussen. Setzt man diese Substanzen mit
medizinisch-psychiatrischen Überlegungen ein, spricht man von
psychiatrischen Psychopharmaka auch wenn der größte
Anteil von Allgemeinmedizinern verordnet wird.
In der Tiermedizin werden psychiatrische Psychopharmaka ebenfalls
eingesetzt, beispielsweise Antidepressiva zur Behandlung von tagsüber
vom Herrchen alleingelassener und mit Trauer reagierender Hunde,
oder Neuroleptika zur Ruhigstellung gefährlicher Tiere bei
medizinischen Eingriffen.
Profitorientierte Pharmafirmen drängen verständlicherweise
darauf, dass Mediziner synthetische Psychopharmaka einsetzen, an
denen sich mehr verdient lässt. Natürliche Stoffe wie
Baldrian oder Johanniskraut werden demzufolge in der modernen Medizin
kaum verwendet.
Verschiedene psychiatrische Psychopharmaka können auch in
der Körpermedizin als Medikamente verschrieben werden. Andererseits
werden auch verschiedene Medikamente der Körpermedizin als
psychiatrische Psychopharmaka eingesetzt, beispielsweise:
-
Anästhetika (Schmerz- und Narkosemittel) sind
auch keine psychiatrischen Psychopharmaka, können jedoch
als solche verordnet werden, beispielsweise Ketamin (Ketalar)
und Esketamin (Ketanest, Spravato) bei als behandlungsresistent
geltenden Depressionen. In der Techno-Szene ist Ketamin aufgrund
seiner bewusstseinsverändernden und halluzinogenen Wirkung
als Partydroge beliebt. Ihr regelmäßiger Konsum kann
Gedächtnisprobleme und Psychosen auslösen. Verbrecher
setzen Ketamin auch als K.o.-Mittel ein.
-
Antiepileptika:
Aufgrund ihrer dämpfenden Wirkung auf das Zentralnervensystem
setzt man einige Antiepileptika auch als Stimmungsstabilisatoren
/ Phasenprophylaktika ein, weshalb sie zur Gruppe der psychiatrischen
Psychopharmaka gerechnet werden können.
-
Antiparkinsonmittel
(z. B. Akineton, Amantadin, Artane, Sormodren) sind keine Psychopharmaka,
werden aber in Verbindung mit Neuroleptika gerne zur Kaschierung
von Muskelstörungen oder zur Linderung akuter Muskelkrämpfe
gegeben und können unerwünschte psychische Wirkungen
haben (z. B Angst- und Unruhezustände, Halluzinationen
und toxische Delire).
-
Antisympathotonika (blutdrucksenkende Mittel): Aus dieser
Gruppe kann Guanfacin (Handelsname Intuniv) bei der Diagnose
ADHS verordnet werden; es hat eine Vielzahl unerwünschter
psychischer, zentral-nervöser, vegetativer, motorischer
und Organwirkungen
-
Cannabinoide
mit niedrigem Gehalt an THC (Tetrahydrocannabinol) einer
der Wirkstoffe von Marihuana / Haschisch / Cannabis / Hanf,
das zur Substanzgruppe der Halluzinogene / Rauschmittel zählt
werden in der Humanmedizin (Psychiatrie inklusive) gelegentlich
als Schmerz- und Beruhigungsmittel eingesetzt.
-
Hypnotika (Beruhigungs-
und Schlafmittel) kommen in der Humanmedizin unter den vielfältigsten
Indikationen zum Einsatz.
-
Psychostimulanzien
sind Aufputsch- und Dopingmittel. In der Humanmedizin wird aus
dieser Substanzgruppe meist Ritalin als psychiatrisches Psychopharmakon
eingesetzt, und zwar unter der Indikation »ADHD«
»attention deficit hyperactivity disorder«, »Aufmerksamkeits-
und Hyperaktivitätsstörung«). Synonyme Begriffe
sind »hyperkinetisches Syndrom«, »MCD«
»minimale Hirn- bzw. cerebrale Dysfunktion«) oder
»Zappelphilipp-Syndrom«). Ritalin hat eine den Amphetaminen
vergleichbare Wirkung; aufgrund ihrer natürlichen, starken
Sensibilität reagieren Kinder und Jugendliche in der Regel
paradox, das heißt, sie werden in ihrer als übermäßig
empfundenen Lebendigkeit gedämpft. Auch Erwachsenen mit
der Diagnose »ADHD« verabreicht man Psychostimulanzien.
Literaturempfehlungen zu Psychopharmaka-Risiken, unerwünschten
Wirkungen, zum Absetzen und zu Alternativen:
Peter
Lehmann / Craig Newnes (Hg.): Psychopharmaka reduzieren und absetzen
Praxiskonzepte für Fachkräfte, Betroffene, Angehörige
Peter
Lehmann / Volkmar Aderhold / Marc Rufer / Josef Zehentbauer: Neue
Antidepressiva, atypische Neuroleptika Risiken, Placebo-Effekte,
Niedrigdosierung und Alternativen
Peter
Lehmann: Der chemische Knebel Warum Psychiater Neuroleptika
verabreichen
Peter Lehmann:
Schöne neue Psychiatrie. Band 1: Wie Chemie und Strom auf Geist
und Psyche wirken. Band 2: Wie Psychopharmaka den Körper verändern
Peter
Lehmann (Hg.): Psychopharmaka absetzen Erfolgreiches Absetzen
von Neuroleptika, Antidepressiva, Phasenprophylaktika, Ritalin und
Tranquilizern
Peter
Lehmann / Craig Newnes (Hg): Psychopharmaka reduzieren und absetzen
Praxiskonzepte für Fachkräfte, Betroffene, Angehörige
Peter Lehmann
/ Peter Stastny (Hg.): Statt Psychiatrie 2
Josef
Zehentbauer: Chemie für die Seele Psyche, Psychopharmaka
und alternative Heilmethoden
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