Peter Lehmann

Humanistische Antipsychiatrie – Texte aus 45 Jahren

Peter Lehmann 381 Seiten, 4 Photos, 2 Graphiken. Berlin & Lancaster: Peter Lehmann Publishing 2025

Gedruckte Buchausgabe · Kartoniert · 14,8 x 21 x 1,8 cm · 630 gr ·  € 24.90 · Preis in sFr · ISBN 978-3-910546-24-0 · sofort lieferbar In den Warenkorb  [oder Bestellung mit Formular – Best.Nr. 24]

PDF E-Book · 1554 KB · € 19.99 · Preis in sFr · ISBN 978-3-910546-25-7 · sofort lieferbar · Nur direkt bei uns erhältlich In den Warenkorb  [oder Bestellung mit Formular – Best.Nr. 241]

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Über das Buch

Im Jahr 2025 feiern Psychiatrie und Politik »50 Jahre Psychiatrie-Enquête« als Jahrhundertreform und preisen die Fortschritte psychiatrischer Behandlung an. Und Peter Lehmann, Deutschlands bekanntester Psychiatriekritiker und »Stachel im Fleisch der etablierten Psychiatrie«, wird 75 Jahre alt. Die interessantesten biographischen sowie praxisorientierten Zeitschriftenartikel, Buchbeiträge und Interviews aus seiner 45-jährigen Schaffensperiode sowie einige neue Texte finden sich in diesem Buch. Es zeigt die dunkle und gefährliche Seite der modernen Psychiatrie und Wege, wie man sich vor ihr schützen bzw. sie verlassen kann.

Seine Weltsicht, Haltung und Praxis, von ihm »Humanistische Antipsychiatrie« genannt, unterscheidet sich von der alten, akademisch und patriarchalisch geprägten Antipsychiatrie durch die Wertschätzung der Erfahrungen Psychiatriebetroffener, die Kritik einer männlich dominierten Perspektive und die Mitarbeit am Aufbau menschenrechtsbasierter und humanistisch orientierter Unterstützungsformen für Menschen in emotionalen Notlagen. Für sein Lebensprojekt »Durchsetzung von Menschenrechten und humanistisch orientierter Unterstützung von Menschen mit psychiatrischen Problemen und Diagnosen« wurde er 2010 von der Aristoteles-Universität Thessaloniki als erster Psychiatriebetroffener weltweit für Pionierleistungen im Bereich der humanistischen Antipsychiatrie mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet. Im Jahr darauf verlieh ihm der deutsche Bundespräsident das Bundesverdienstkreuz.

Der Autor enthält sich einer feuilletonistischen Betrachtung der Psychiatrie. Seine Analysen speziell der Wirkungsweise und der unerwünschten Wirkungen von Psychopharmaka gehen in die Tiefe und setzen dabei lediglich ein Erkenntnisinteresse der Leserinnen und Leser voraus, jedoch kein medizinisches oder pharmakologisches Fachwissen.

Teil 1: Verstreute biographisch orientierte Texte

Im ersten Teil seiner Sammlung verstreuter und teilweise in Mainstream- wie auch in Grassroot-Zeitschriften und -Büchern publizierter Artikel berichtet der Autor von seiner Psychiatriegeschichte und speziell davon, wie er nach dem Ausstieg aus der Psychiatrie im Lauf der Jahre zu einem weltweit bekannten Psychiatriekritiker wurde. Es ist kein Buch der Selbstfindung oder des Bemühens um ›Verständnis für psychisch Kranke‹, sondern eine Fundgrube für alle, die sich durch den Werdegang eines Aktivisten vom ›psychisch chronisch kranken schizophrenen Psychiatriepatienten‹ zum erfolgreichen und geschätzten Experten in Psychiatriefragen inspirieren lassen wollen.

Das Buch richtet sich an alle, die unbefriedigende Erfahrungen mit der Psychiatrie und mit Psychopharmaka gemacht haben und Ermutigung suchen. Ebenso an alle, die der Verabreichung von Psychopharmaka und Elektroschocks aus dem Weg gehen wollen.

  • Leserinnen und Leser lernen aus erster Hand die dunkle und gefährliche Seite der modernen Psychiatrie kennen.

  • Leserinnen und Leser erfahren, wie man wieder aufleben und gesunden kann, wenn man – als chronisch psychisch krank geltender Psychiatriepatient – ärztlich verordnete Psychopharmaka umsichtig absetzt und Konsequenzen aus seiner Psychiatrisierung zieht.

  • Leserinnen und Leser lernen, wie man psychische Krisen ohne Psychopharmaka überstehen kann.

Alle angesprochenen Themen sind nach wie vor hochaktuell.

Teil 2: Verstreute praxisorientierte Texte

Hier erläutert der Autor das Wesen der humanistischen Antipsychiatrie. Es geht um eine undogmatische und humanistische Weltsicht, Haltung und Praxis, jedoch keine Theorie sozialer Ausgrenzung. Sondern primär geht es um Antworten auf die Frage, wie Menschen in psychischer Not bestmöglich und menschenrechtsbasiert geholfen werden kann bzw. wie sie sich selbst helfen können.

Die Texte richten sich an alle, die mit der Psychiatrie oder mit Psychopharmaka in Kontakt kamen oder spätestens im Alten- oder Pflegeheim noch kommen werden: professionell Tätige im psychosozialen Bereich, Angehörige, Betroffene, PsychologInnen, SozialarbeiterInnen, JuristInnen, JournalistInnen, PolitikerInnen und die interessierte Öffentlichkeit. Die Texte beinhalten

  • Informationen über die psychiatrische Realität von einem besonders sachkundigen ehemals psychiatriebetroffenen Sozialwissenschaftler und über praktizierte psychiatrische Menschenrechtsverletzungen gemäß dem Motto »Willst du etwas wissen, so frage einen Erfahrenen und keinen Gelehrten«

  • Alternativen zur angeblich alternativlosen psychopharmakologischen Behandlung von Menschen mit psychischen Problemen

  • kompetente, verständliche und nutzerorientierte Erläuterungen der Wirkungsweisen, Risiken und Schäden ärztlich verschriebener Psychopharmaka sowie Elektroschocks

  • Möglichkeiten risikoarmen Absetzens von Psychopharmaka mit ärztlicher Hilfe, notfalls auch auf eigene Faust

  • Informationen über die Indoktrination der Ärzteschaft durch die Pharmaindustrie und über die Torpedisierung von Absetzversuchen durch verantwortungslose Vorgaben zu extrem schnellem Absetzen

  • rechtswirksame Möglichkeiten, wie man sich mit einer durchdachten Psychosozialen Patientenverfügung vor unerwünschter Verabreichung von Psychopharmaka und Elektroschocks schützen kann.

In seiner Absage an den Expertenmonolog ist dieses Buch einzigartig. Dies begründet sich durch mehrere Faktoren: a) die Komplexität des bearbeiteten Themenkreises, b) den menschenrechtsbasierten Ansatz, c) die betroffenenorientierte Enteignung medizinischen Fachwissens über die Wirkungsweisen und unerwünschten Wirkungen psychiatrischer Psychopharmaka und Elektroschocks, d) die Einbeziehung der Praxiserfahrungen beim Aufbau alternativer psychiatrieunabhängiger Initiativen und beim Absetzen von Psychopharmaka sowie e) die kritische Haltung des Autors, die sich auch auf den Bereich der Selbsthilfe und Selbstorganisierung von Betroffenen erstreckt. Pfeil

Geleitwort

»Verstreute Texte aus 45 Jahren« untertitelte Peter Lehmann ursprünglich die vorliegende Textsammlung, ein echtes Understatement. Alles ist wohlgeordnet in diesem Band, Lehmann schreibt und spricht immer klar, überlegt, nachdenklich und hat seine Positionen und Argumente im Laufe der Jahre konsequent entwickelt. Zu Recht steht Lehmann heute als der Exponent einer weltweiten Bewegung für eine Unterstützung von Menschen mit psychosozialen Behinderungen, die sich radikal von der tradierten medizinisch-biologischen Psychiatrie abwendet und den Grundsätzen der Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen verpflichtet: für eine personenzentrierte und gemeinde- und recovery-orientierte sowie rechtebasierte Unterstützung.

Lehmann hat die inzwischen eindeutige Positionierung der Vereinten Nationen und der Weltgesundheitsorganisation zur Psychiatrie vorweggenommen und beeinflusst. Für beide Organisationen ist es heute unstrittig, dass psychopharmakologische Behandlungen nur unter informierter Einwilligung erfolgen können, dass es keine stellvertretenden Einwilligungen mehr geben darf, dass Zwangsmaßnahmen abzuschaffen sind und jede Unterstützung dem Willen und den Präferenzen der betreffenden Person entsprechen muss (WHO & OHCHR 2023; WHO 2025).

Die deutsche Mainstream-Psychiatrie scheint das nicht wahrhaben zu wollen und fordert mehr Zwang im Hilfssystem, zuletzt mit einem Positionspapier zur Verabreichung von Elektroschocks ohne informierte Zustimmung (DGPPN 2025). Nicht verwunderlich ist es, dass sie damit immer mehr in den Sog einer härteren Innenpolitik gerät, wenn gefragt wird, wie sich Anschläge verhindern ließen (Berndt 2025). Ausführlich diskutiert Lehmann die Renaissance des umstrittenen Elektroschocks.

Lehmann scheut dabei keine Kontroversen, weder mit der etablierten Psychiatrie, noch mit anderen Akteuren, seien es Organisationen wie die Deutsche Gesellschaft für soziale Psychiatrie (DGSP) oder auch die Betroffenenverbände. Er erzählt seine persönliche Geschichte und möchte den vielen Menschen, die ähnliche Erfahrungen machen, Mut machen; das gelingt ihm aber auch bei den sogenannten Fachkräften im Hilfssystem. Meine erste Begegnung mit ihm war im Jahr 1995, er war zu einer Klinikfortbildung in Kaufbeuren eingeladen worden. Sein Vortrag war bestens vorbereitet, mit Quellen hinterlegt, so wie man es von einer guten Fortbildung erwartet, aber selten erhält. Revolutionär war es zu dieser Zeit, dass der Vortragende selbst Betroffener war – für mich eine bleibende und Mut machende Erinnerung. Wer das nachprüfen möchte, kann einfach mit dem Kapitel »Neuroleptika und Sexualität – Verträgt sich das?« beginnen.

Seine persönliche Geschichte zeigt aber auch, wie weit sich die handelnden Ärzte vom hippokratischen Eid entfernt hatten, wenn die Behandlung ihm offensichtlich mehr geschadet als genutzt hat, und wie er als Patient die Patientenrolle hinter sich ließ, beherzt die ärztlich verordneten Neuroleptika absetzte und zum Autor, Wissenschaftler, Verleger und Aktivisten wurde.

Die humanistische Antipsychiatrie ist kein modischer Diskurs, sondern eine notwendige Perspektive in einer Zeit, in der psychische Gesundheit zunehmend unter biologistische, ökonomische, individualpsychologische oder Sicherheits-Logiken subsumiert wird. Lehmann stellt mit fundierter Sachkenntnis die zentralen Fragen: Wem dient die psychiatrische Ordnung? Wie kann Menschen in psychischer Not bestmöglich im Sinne ihres Willens und ihrer Präferenzen geholfen werden? Und wie können sie sich geschützt vor psychiatrischer Gewalt selbst helfen?

Dieses Buch ist nicht nur ein Plädoyer für ein menschlicheres und demokratischeres Hilfssystem – es ist ein Aufruf zum Empowerment, zur Auseinandersetzung und zur Solidarität. Lehmann gelingt es, Erfahrungen von Betroffenen, wissenschaftliche Analysen und politische Forderungen in einen Dialog zu bringen, der provoziert und zugleich inspiriert.

Leserinnen und Leser erwartet kein bequemes Buch – aber ein notwendiges. Wer bereit ist, gewohnte Sichtweisen zu hinterfragen, wird in diesem Werk einen kraftvollen Beitrag zur Debatte um Zwang, Autonomie und Alternativen im psychosozialen Hilfssystem finden.

Dr. Martin Zinkler
Psychiater und Psychotherapeut
Seit 2023 Mitglied des UN-Unterausschusses zur Verhütung von Folter. Redakteur der Zeitschrift
Recht & Psychiatrie Pfeil
Bremen, 1. Juni 2025

Quellen

  • Berndt C (26.5.2025): Warum wird eine potenziell gefährliche Patientin aus der Psychiatrie entlassen? Süddeutsche Zeitung. Online-Ausgabe https://www.sueddeutsche.de/panorama/hamburg-hauptbahnhof-messer-angriff-verletzte-psychiatrie-entlassung-li.3259137?reduced=true (Zugriff am 28.5.2025)

  • DGPPN – Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (24.2.2025): Zugang zur Elektrokonvulsionstherapie bei Menschen mit fehlender Einwilligungsfähigkeit und als Behandlung gegen den natürlichen Willen (ärztliche Zwangsmaßnahme). Online-Ressource https://www.dgppn.de/_Resources/Persistent/43fbbb0d491e0b57f147898ad658af1e82e7e5f8/2025-02-24_DGPPN-STN%20EKT%20und%20Zwang_FIN.pdf (Zugriff am 28.5.2025)

  • WHO – World Health Organization (24.3.2025): Guidance on mental health policy and strategic action plans. Genf: WHO. Online-Publikation https://www.who.int/publications/i/item/9789240106796 (Zugriff am 28.5.2025)

  • WHO – World Health Organization & OHCHR – Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights (2023): Mental health, human rights and legislation. Guidance and practice. Genf: WHO & OHCHR. Online-Publikation https://who.int/publications/i/item/9789240080737 (Zugriff am 28.5.2025) Pfeil

Über den Autor

Peter LehmannPeter Lehmann, Dr. phil. h.c., Dipl.-Pädagoge, heute selbstständiger Autor und Verleger in Berlin. 1991 Mitbegründer und bis 2010 langjähriges Vorstandsmitglied des Europäischen Netzwerks von Psychiatriebetroffenen (ENUSP). Seit 2020 Partner des International Institute for Withdrawal of Psychiatric Drugs (Internationales Institut zum Absetzen von Psychopharmaka). Seit 2022 Mitglied im Fachausschuss Psychopharmaka der Deutschen Gesellschaft für soziale Psychiatrie (DGSP). Seit 2025 Patientenvertreter im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA).
2010 Verleihung der Ehrendoktorwürde in Anerkennung des »außerordentlichen wissenschaftlichen und humanitären Beitrags für die Durchsetzung der Rechte Psychiatriebetroffener« durch die Aristoteles-Universität Thessaloniki. 2011 Verleihung des Bundesverdienstkreuzes.
Weitere Buchpublikationen: Psychopharmaka reduzieren und absetzen. Praxiskonzepte für Fachkräfte, Betroffene, Angehörige (2024, hg. gemeinsam mit Craig Newnes); Neue Antidepressiva, atypische Neuroleptika – Risiken, Placebo-Effekte, Niedrigdosierung und Alternativen. Mit einem Exkurs zur Wiederkehr des Elektroschocks (2017, gemeinsam mit Volkmar Aderhold, Marc Rufer und Josef Zehentbauer, E-Book 2025); Statt Psychiatrie 2 (2007, hg. gemeinsam mit Peter Stastny, E-Book 2025); Psychopharmaka absetzen – Erfolgreiches Absetzen von Neuroleptika, Antidepressiva, Phasenprophylaktika, Ritalin und Tranquilizern (1998; 5. Aufl. 2019, E-Book 2025); Schöne neue Psychiatrie – Band 1: Wie Chemie und Strom auf Geist und Psyche wirken, Band 2: Wie Psychopharmaka den Körper verändern (1996; E-Books 2025); Der chemische Knebel – Warum Psychiater Neuroleptika verabreichen (1986; 6. Aufl. 2010; PDF E-Book 2025) u.v.m.
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